TAGUNGEN

Vom 12.-14.02.2024 fand die 26. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie statt.

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Das Glück – eine heikle Angelegenheit


Auf ihrer 26. Jahrestagung diskutierte die Rudolf-Bultmann-Gesellschaft die Hermeneutik des guten Lebens

Dass es mit dem Glück eine „heikle Angelegenheit“ ist, daran erinnerte der Vorsitzende der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie, der Marburger Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie Dr. Malte Dominik Krüger, in seiner Begrüßungsansprache zur 26. Jahrestagung der Gesellschaft, die vom 12. bis 14. Februar 2024 in der Evangelischen Tagungsstätte Hofgeismar stattfand. Zum Thema der Tagung „Glück und Gott? – Zur Hermeneutik des guten Lebens“ sagte Krüger vor den rund 70 Tagungsteilnehmer*innen aus Wissenschaft und Kirche: „Häufig erschließt sich erst im Rückblick unseres Lebens, was wirklich Glück oder Unglück war, was vermeintlich purer Zufall oder scheinbar gute Fügung war – und was wir als unser Eigenstes im Inneren oder als äußere Erfolgsbilanz festhalten können.“ Gott im Leben könne man nur „nach-denken, hinterherdenken“, denn: „Mit dem Ausdenken und Vordenken kommt der Mensch bei Gott nicht weit.“ Auch in Rudolf Bultmanns Werk spiegele sich die Ambivalenz des Glücks. Hier werde die Glücksfrage in gewisser Hinsicht zur Gottesfrage. Krüger: „Unsere Tagung wird diesen Dingen nachgehen und das Wörtchen ´und´ im Titel ´Glück und Gott?´ – mit Fragezeichen – der Sache nach ausleuchten: Steckt Gott im Glück?“

Weisheit, Glück und das gelingende Leben

„´Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung´ – Aspekte gelingenden Lebens im Alten Testament“. Das war das Thema des Eröffnungsvortrags der Professorin für Altes Testament an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Melanie Köhlmoos. Ausgehend von den Sprüchen aus den Proverbien „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber JHWH allein lenkt seinen Schritt“ (Spr 16,12) und „Einen jeglichen dünkt sein Weg recht, aber JHWH prüft die Herzen“ (Spr 21,2) formulierte Köhlmoos die alttestamentliche Überzeugung: „Echte Weisheit weiß um ihre Grenzen“ und „Zur Weisheit gehört das Bewusstsein, dass manche Dinge sich nur bedingt steuern lassen.“ Das bedeute in der alttestamentlichen Tradition: „Gottesfurcht ist nicht die Bedingung des gelingenden Lebens, aber ihre Voraussetzung.“
Dementsprechend bestehe nach dem Alttestamentler Jörn Kiefer „Glück“ im Alten Testament „zuerst in der Zugehörigkeit zu Gott und der Orientierung auf ihn hin und daraus abgeleitet in gesegneten Lebensumständen“. Dabei gehe es „nicht um das glückliche Los (fortuna), sondern um ein glückliches Leben (felicitas) und zwar nicht um ein unbeschwertes, sondern um ein gelingendes Leben“.
In praktischer Hinsicht nannte Köhlmoos in ihrem Vortrag als Aspekte gelingenden Lebens die Begriffe Weisheit, Ansehen, Familie, Lebensmittel und Wohlstand, Sicherheit und ein Land zum Leben sowie ein langes Leben. Vor allem Weisheit führe, so Köhlmoos, mit – ziemlicher- Sicherheit zu einem gelungenen Leben. So werde mit der Wurzel ḥākam „weise sein“, im Hebräischen das intellektuelle Vermögen eines Menschen im Sinne von „Klugheit“, „Wissen“ und „Intelligenz“ bezeichnet. Dabei werde mit Weisheit das wissensmäßige und technische Vermögen umschrieben, das zur Ausübung einer Tätigkeit gehört, „das heißt die Voraussetzung einer Tätigkeit im Sinne von ´Geschick´, ´Fertigkeit´, ´Meisterschaft´“. Insbesondere das Proverbienbuch zeichne das Bild vom aufrichtigen, verschwiegenen, zurückhaltenden, fleißigen, sparsamen, höflichen und verantwortungsbewussten „Weisen“, der über Einsicht und Zucht verfügt. Köhlmoos: „Als weise im eigentlichen Sinn gilt im Alten Testament das Resultat von Intelligenz, Bildung und Geschick im Sinne von Lebensklugheit, Einsicht und sozialer Kompetenz.“

Das Neue Testament: Werdet glücklich!

frühen Christentums nicht frei bestimmen.“ Das erklärte Dr. Nils Neumann, Professor für biblische Theologie an der Leibnitz Universität Hannover, in seinem Vortrag „Werdet glücklich! Entwürfe von Glückseligkeit in den Makarismen des Neuen Testaments“.
Die biblischen Schriften, wie auch oftmals die philosophischen Traditionen des Hellenismus, üben, so Neumann, einen Einfluss auf die Welt des Frühchristentums aus. Zugleich formulieren sie ihre Makarismen unverhohlen auch in ganz konkrete Situationen hinein und stellen sich bestimmten gemeindlichen Herausforderungen.
Nach eingehender Analyse des Glücksbegriffs bei Aristoteles, in der Stoa, in der Septuaginta und bei Philo hielt Neumann fest: Mit der Septuaginta verwendet das Frühchristentum μακάριος als zentralen Glücksterminus, weil mit ihm das menschliche Glückserleben auf Gottes Handeln zurückgeführt werde Dabei trage das Glück eine starke körperliche Komponente, selbst wenn die Glückseligkeit aus körperlichem Verzicht erwachse. Die apokalyptisch orientierten Makarismen erblicken den Grund des Glücks darin, dass der Mangel eschatologisch einen Ausgleich erfährt.
Pauls verortet nach Neumann das Glück ganz in der Gegenwart, während bei den Synoptikern eschatologische und un-eschatologische Glücksvorstellungen nebeneinander stehen. Im Johannesevangelium ist glückselig, wer in Aufnahme des Wirkens Jesu zur Erkenntnis gelangt und danach handelt und in der Apokalypse wird das Wohlergehen konsequent erst im Eschaton realisiert. Dabei sprechen die Seligpreisungen eine Sprache der Zugehörigkeit“. Sie stellen, so der Referent, ihren Leserinnen und Lesern die Frage, ob sie zur Gruppe derer gehören, die sich glücklich schätzen dürfen. Insgesamt lasse sich mit den Texten des neuen Testaments sagen: „Ihr könnt das Glück zwar nicht selbst herstellen, wohl aber die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es sich in eurem Leben ereignet. Mit anderen Worten, die Texte beinhalten den impliziten Appell: Werdet glücklich!“

Das Gespräch auf dem Landgut

Auf das antike Landgut Cassiacum nördlich von Mailand entführte die Professorin für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität Hamburg Dr. Barbara Müller die Teilnehmer*innen der Tagung in ihrem Vortrag „Ist Gott das große Glück? Im Gespräch mit Augustin und Zeitgenoss*innen“.
Augustins Dialog De beata vita geht auf tatsächlich geführte Gespräche zurück, die vom 13. bis 15. November 386 anlässlich des 32. Geburtstags Augustins in einem Kreis philosophisch und religiös Interessierter in dem Landgut stattfanden mit dem Ziel, die Frage nach dem Glück zu erörtern. Thesen des Gesprächs sind „Wir alle wollen glücklich sein“ und „Wer Gott hat, ist glücklich“. Dabei, so Müller, gehe es darum, „gut zu leben, Gottes Willen zu befolgen sowie keusch zu leben. D.h. nach Gott allein zu streben.“
In der Gruppe in Cassiacum einigte man sich auch auf die Vorstellung, „dass der Gottsucher ebenfalls glücklich ist, allerdings nur, wenn er nach einem propitium deum sucht – wörtlich einen ´geneigten Gott´ hat“. Das Gegenteil von Glück ist das Ersehnte nicht zu haben, also der Mangel. Schließlich beendet die Mutter Augustins, Monnica, das Gespräch mit den Worten: „Den Betern hilf, Dreieinigkeit! Das ist zweifellos das Glück, das ist vollkommenes Leben. Ihm eilen wir entgegen, und wir erwarten mit Recht, dorthin gelangen zu können, in festem Glauben, freudiger Hoffnung und flammender Liebe.“
Der späte Augustin, so Müller, hat seine Meinung geändert. In seinem opus magnum De civitate ist der Mensch „definitiv ein Mängelwesen, das gänzlich auf die göttliche Gnade angewiesen ist“. Niemand könne in diesem Leben Glück finden, nicht einmal die ganz Tugendhaften. Sich überhaupt mit weltlichem Glück zu beschäftigen, sei ein irriges Unterfangen.
Auch emotionale Haltungen analysierte Müller in ihrem Vortrag und verwies auf den Begriff der Hilaritas, „das meint Heiterkeit, eine Art von Fröhlichkeit, die sich auch mit Güte verbindet“, im christlichen Kontext „das Resultat der empfangenen Gaben Gottes“. Die Referentin verwies hier auf die der Aufzeichnungen der Märtyrerin Perpetua, die ihren Gefängnisaufenthalt in der Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis, ihren Gefängnisaufenthalt in heiterer Stimmung und in eschatologischer Perspektive beschreibt. In dem Briefwechsel zwischen dem gefangenen Dietrich Bonhoeffer und seinem Freund Eberhard Bethke begegne ebenfalls Hilaritas, und zwar als „schöpferisch-freiheitliche Qualität“. Müller: „Glück wäre somit sich frei entfaltende Kreativität.“ Wie bei Perpetua haben wir es bei Bonhoeffer mit einer „quasi übermenschlichen Gelassenheit eines zum Tode Verurteilten“ zu tun.

Allversöhung als philosophisches Glück

Mit den Mitteln des Hermeneutischen Realismus, einen „gemäßigten Realismus“, der zugleich ein „gemäßigten Idealismus“ ist, führte der emeritierte Heidelberger Philosophieprofessor Dr. Anton Friedrich Koch die philosophische Reflexion über das Glück weiter. In seinem Vortrag „Glück und Gott aus Sicht der Gegenwartsphilosophie“ beschrieb er in komplexen Ableitungen und Argumentationslinien Glück und Gerechtigkeit als „Desiderat“.
Unsere Endlichkeit, d.h. Sterblichkeit, sei bedrückend, weil mit dem Tod der „Progress unserer Zielsetzungen“ nicht an ein Ziel, sondern an ein faktisches Ende kommt: Es geschieht Abbruch statt Vollendung. „Ohne Abbruch aber liefe der Progress der Ziele in eine schlechte, nicht in die wahre Unendlichkeit.“ Denn bei endlosem Weiterleben würden wir „lebend in Langeweile ersterben“. Das Desiderat wäre ein unendliches Leben jenseits der endlichen Ziele, was aber nach Koch der Hermeneutische Realismus als Philosophie der Endlichkeit nicht bieten kann.
Ein weiteres glücksrelevantes Desiderat sei Gerechtigkeit. „Der entsetzliche Mangel an Gerechtigkeit ist ein moralischer Dauerskandal, der auch das flüchtige Glück der Gutgestellten beeinträchtigt.“ Dazu Koch: Philosophien der Endlichkeit wissen damit nicht umzugehen. Um Gerechtigkeit als möglich zu denken, müssen wir mit Immanuel Kant einen gerechten, allwissenden und allmächtigen Gott annehmen, der sie langfristig verwirklicht. Dem widerspricht jedoch der hermeneutische Realismus, für den Subjektivität notwendig endlich ist.
Schließlich formulierte Koch „Denkmöglichkeiten für ein individuelles postmortales Leben“: Mit dem materiellen Körper „entfielen alle materiegebundenen Bedürfnisse und Triebe“. Man sähe Im Rückblick das Leben ohne die irdischen Motive. „Die Opfer der Untaten wären jenseits alles Leids und hätten es nicht nötig, nachtragend zu sein.“ Einer Allversöhnung stünde nichts im Wege. Koch: „Damit träte ein Glück ein, dessen Vorgeschmack vielleicht die romantische Liebe im Augenblick ihres Gelingens vermittelt.“ Die Allversöhnung der Individuen wäre auf Dauer gestellt und das Glück beständig. Zielsetzungen wären nicht mehr nötig „und die Langeweile endlosen Strebens aufgelöst in Wohlgefallen“.

Gegen Perfektionismus

„Glück ist weder mit einem guten Leben noch einem seligen Leben identisch.“ Das war das Resümee des Vortrags des Professors für Systematische Theologie an der Universität Münster Dr. Hans-Peter Großhans zum Thema „Vom Glück eines guten Lebens. Über Glückserwartungen des Gottesglaubens und menschlichen Perfektionismus“. Gleichwohl, so Großhans, „begleitet das Glück sozusagen als Gottesgabe - aus der Sicht der Glaubenden formuliert - wohltuend, inspirierend und aktivierend das Leben, auch das Glück der Begegnungen mit dem dreieinigen Gott.“ Der Referent fragte: „Ist Gott das große Glück?“ und antwortete: „Kann sein! Er ist es jedoch nicht grundsätzlich. Ohne Gott gibt es jedoch kein seliges - auch kein glückseliges - und auch kein ewiges Leben – und dies natürlich inmitten des endlichen Lebens.“
In seinem Vortrag, in dem er sich mit zahlreichen Autoren von Aristoteles über Kant, Schiller, Luther, Brecht, Bultmann bis zu Eberhard Jüngel auseinandersetzte, hielt Großhans fest: „Meiner Meinung nach macht das Glück ein Leben nicht zu einem guten.“ Ein gutes Leben sei „ein solches, in dem das Gesamte des Lebens stimmt: die Freiheit der Individuen, deren Partizipation, Gerechtigkeit, ein zufriedenstellendes Gemeinwohl und dergleichen vorhanden sind.“
Gegen einen Perfektionismus des guten Lebens wandte sich Großhans mit dem Begriff der „bedingten Freiheit“, der „im Blick auf die Erkenntnis der Welt und die Gestaltung der Welt, keine Grenzen gesetzt sind, die jedoch im Blick auf ihre eigene Grenzen und die Erwartungen an Ganzheit und Perfektion des guten Lebens sich auch ihrer eigenen Grenzen bewusst wäre“. Das sei als Aufgabe und Anstrengung zu verstehen, „die Menschen gemeinsam mit ihrer Vernunft – und in Glaube, Liebe und Hoffnung – zu bewältigen suchen“. Aber auch „die Möglichkeit der Umkehr vom Unguten hin zum Guten „und also zum guten Leben in einem möglicherweise auch als kontingent zu begreifenden Geschehen in Gott und durch Jesus Christus und den Heiligen Geist ist (…) ein Glück. Und entsprechend kann ein Mensch, der dieses Glück konstruktiv aufnimmt, als ein glücklicher bezeichnet werden“.

Der erfüllte Augenblick

Die These, „dass die evangelische Kirche die Glückseligkeit zum Endzweck ihres Handelns machten kann, wenn sie einen Weg findet das flüchtige Glück im Augenblick mit dem Streben nach Glück als einem Zustand zu versöhnen“, vertrat der Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg Dr. Thomas Erne in seinem Vortrag „Glück und Seligkeit - Konzepte und Perspektiven in der Praktischen Theologie“.
Erne referierte zunächst das Glücksverständnis des Münchner Systematikers Jörg Lauster, der beim Zufall, dem Glücken des Glücks, der Fortuna ansetzt. Erne dazu: In einem solchen erfüllten Augenblick „leuchtet eine Ganzheit auf, die nicht etwas verändert, sondern alles, den Horizont, in dem ich die Welt, mich und mein Leben in ihr sehe“. Das lasse sich als „Vergegenwärtigung des ewigen Gottes im endlichen Menschen“ begreifen. Im derart erfüllten Augenblick leuchte das gute und gelingende Leben auf, das der Mensch in seinem Streben nach Glück realisieren will.
Erne kritisierte, dass aus der Praktischen Theologie der Gegenwart Glück und Seligkeit als Phänomen und Begriff weitgehend verschwunden seien und damit auch „die Bestimmung eines Endzwecks aller kirchlichen Handlungen verloren gegangen“ sei.
Der Referent griff die Konzeption der Bochumer Praktischen Theologin Isolde Karle auf, der zufolge sich im erfüllten Augenblick ein unverdientes „göttlichen Gnadenhandeln“ zeige, das von sich selbst befreit und die curvatio in seipsum, die In-sich-Verkrümmtheit des Sünders, durchbricht. Im Augenblick des Einseins mit dem Unendlichen erlebt sich das Selbst in einer ihm wohlwollend zugewandten und guten Macht geborgen. Was dieses Glück nun, so Erne, „zu einer Konstante in den Wechselfällen des Lebens, zu einem unveränderlichen Glück macht, ist das Streben, die kontinuierliche Arbeit, dem es sich verdankt“.
Als Konsequenzen des Augenblickglücks für die kirchliche Praxis schlägt Erne ein Drittes zwischen Tun und Nichtstun, Arbeit und Kontemplation vor: „das Spiel, eine schöpferische Praxis, die die praktisch-theologischen Konsequenzen aus dem Augenblicksglücks zieht, ohne zu dementieren, dass dieses Glück ein Geschenk sola gratia ist“.

Junge Theolog*innen: Fragen des Verstehens von Wilhelm Herrmann bis Eberhard Jüngel

Hermeneutische Fragen unterschiedlicher Art standen im Mittelpunkt der in Arbeit befindlichen bzw. abgeschlossenen wissenschaftliche Projekte, die eine junge Theologin und vier junge Theologen auf der Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft präsentierten.
Von der „Ent-fremdung im Glauben“, die ein dynamisches Geschehen sei und dem Menschen eine Glaubensgeschichte eröffne, sprach Johanna Baumann, Münster, bei der Vorstellung ihrer Dissertation „Entfremdung und Ent-fremdung im Licht der Gott-Mensch-Beziehung“. Der Glaube „ent-fremde“ sich durch das Verstehen „der Oszillation zwischen Vor- und Neuverstehen als zwei Wirkweisen des Wortes Gottes“.
Wie sich das Selbst aus christlicher Überzeugung verstehen kann, untersuchte Pfarrer Dr. Bastian König, Wedemark, in seiner abgeschlossenen Dissertation „Das Kerygma als Narration“ anhand von Texten Augustins und des Aristoteles sowie der Arbeiten Paul Ricœurs und Rudolf Bultmanns. Dadurch wird zu den Anliegen der Theologie Bultmanns, insbesondere zu seiner Konzeption des Kerygmas ein neuer Zugang gewonnen.
Das Dissertationsprojekt von Lukas Hille, Marburg, untersucht das Gesamtwerk Wilhelm Herrmanns, eines Lehrers Bultmanns, hinsichtlich der Rolle der Heiligen Schrift für die Glaubensvermittlung. Herrmanns Ansatz bietet ein Beispiel dafür, wie Dogmatik medientheoretisch betrieben werden kann. Er fragt von der Funktion der biblischen Schriften her nach ihrer Autorität, statt eine Autorität vorauszusetzen und aus dieser heraus mit biblischen Schriften zu arbeiten.
Dr. des. Kristian Geßner, Marburg, präsentierte sein abgeschlossenes Promotionsprojekt zu Leben und Wirken Rudolf Bultmanns in der Zeit des Nationalsozialismus. Durch die Analyse von Bultmanns oppositionellem universitäts- und kirchenpolitischem Handeln, sowie seiner Schriften konnte ein differenziertes Bild seiner Persönlichkeit gezeichnet werden.
Das Dissertationsprojekt von Robert Martin Jockel, Gießen, strebt eine systematische Rekonstruktion der Christologie Eberhard Jüngels entlang des Leitsatzes von Gottes Menschlichkeit als „zu erzählender Geschichte“ an und möchte diese „narrationshermeneutisch“ weiterdenken.

Christoph Weist

25. Jahrestagung 2023

Ewigkeit im Augenblick. Zeit und ihre theologische Deutung

13.-15.02.2023
Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

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24. Jahrestagung 2022

Gottes Handeln und die Freiheit des Menschen

21.-23.02.2022
Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

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23. Jahrestagung 2021

Die für 2021 vorgesehene Jahrestagung in Hofgeismar musste leider wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.

Stattdessen fand eine online-Tagung am 16. Februar 2021 statt.

Das Thema war Bultmanns Geschichte der synoptischen Tradition – die erste Auflage dieses Buches ist im nächsten Jahr vor genau 100 Jahren erschienen.


Folgende Vorträge wurden gehalten:

Prof. Dr. Andreas Lindemann, „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ als hermeneutisches Programm.

Dr. Martin Bauspieß, Jesus in Anführungszeichen. Zum Ertrag von Bultmanns „Geschichte der synoptischen Tradition“.

Prof. Dr. Paul-Gerhard Klumbies, Rudolf Bultmanns „Geschichte der synoptischen Tradition“ in theologischer Wahrnehmung.

Prof. Dr. Christof Landmesser, Bultmanns „Geschichte der synoptischen Tradition“ in der Darstellung Konrad Hammanns.


„Ein verstehender Zugang in die Geschichte“

Rudolf Bultmanns Buch „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ ist ein „Meilenstein im Umbruch und in der notwendigen Neuorientierung der neutestamentlichen Wissenschaft auf dem Weg der Entwicklung der historisch-kritischen Erforschung des Neuen Testaments.“ Das sagte der Tübinger Professor für Neues Testament und Vorsitzender der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie e.V., Dr. Christof Landmesser, am 16. Februar 2021 in seinem Eröffnungsvortrag zur Online-Tagung der Gesellschaft zum Thema „Rudolf Bultmanns Werk `Die Geschichte der synoptischen Tradition`“ anlässlich der Veröffentlichung dieses Buches vor 100 Jahren.
Zu Beginn der Online-Konferenz, zu der mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugeschaltet waren, würdigte Landmesser den am 1. Oktober vorigen Jahres im Alter von 65 Jahren unerwartet verstorbenen Münsteraner Kirchengeschichtler und Mitglied der Gesellschaft Professor Dr. Konrad Hammann und begrüßte dessen Witwe, die ebenfalls zu der Tagung zugeschaltet war.
In seinem Vortrag zum Thema „Bultmanns Geschichte der synoptischen Tradition in der Darstellung Konrad Hammanns“ hob Landmesser hervor, Bultmanns Werk „eröffnet einen Weg aus der rein religionsgeschichtlichen Betrachtung der Texte hin zu einem verstehenden Zugang in die Geschichte sowohl der Texte als auch des auslegenden Subjekts.“ Wie Bultmanns gesamtes wissenschaftliches Werk sei „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ „eine Arbeit an der Geschichte in der Geschichte“. Sie habe eine entscheidende Bedeutung in Bultmanns eigener Lebensgeschichte, aber daneben „sollten stets die zeit- und kulturgeschichtlichen Bewegungen und Veränderungen präsent gehalten werden, die Hammann in seiner Bultmann-Biographie erinnert“.

Vorarbeiten zum Jesus-Buch

Hammann, der mit seiner großen Bultmann-Biographie „Maßstäbe gesetzt“ habe, habe gezeigt, wie Bultmann „mit diesem ersten großen Werk in das Licht der neutestamentlichen Wissenschaft“ getreten ist. „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ sei das Ergebnis einer beinahe zehnjährigen Beschäftigung Bultmanns mit den synoptischen Evangelien und verdanke sich im Gefolge von David Friedrich Strauß, William Wrede und Julius Wellhausen „einem Verständnis von Geschichte, das einen konsequent historisch-kritischen Umgang mit den vorliegenden Quellen fordert“. Damit habe Bultmann auch Vorarbeiten zu seinem Jesus-Buch geleistet.
Die Biographie Hammanns biete „eine präzise Einordnung von Bultmanns Werk in die formgeschichtliche Debatte jener Zeit, insbesondere eine Verhältnisbestimmung zu den Arbeiten von Martin Dibelius und Karl Ludwig Schmidt“. Das Verhältnis zwischen Rudolf Bultmann und Hermann Gunkel beschreibe Hammann, der auch über den Alttestamentler eine umfangreiche Biographie verfasst hat, als von einem intensiven Gespräch über ihre wissenschaftliche Arbeit gekennzeichnet. Landmesser: „ der Einschätzung Hammanns war die Lektüre des unfertigen Manuskripts der ´Geschichte der synoptischen Tradition´ entscheidend für Gunkels wesentliche Unterstützung einer Berufung Bultmanns als Nachfolger Boussets nach Gießen.“
Zur Bedeutung von Bultmanns Buch für die neutestamentliche Wissenschaft erklärte Landmesser, es eröffne „einen Weg aus der rein religionsgeschichtlichen Betrachtung der Texte hin zu einem verstehenden Zugang in die Geschichte sowohl der Texte als auch des auslegenden Subjekts“. Landmesser resümierte: „Dieses Werk zwingt geradezu zur Interpretation der Texte in der Geschichte. Diese hermeneutische Perspektive in der Geschichtswahrnehmung zu entfalten, das wäre ein nächstes Kapitel in der Lektüre und Interpretation der ´Geschichte der synoptischen Tradition´, die uns Konrad Hammann mit seiner Arbeit an Leben und Werk Bultmanns erschließt.“

Eine „Sandwich“-Position

Von einer „Sandwich-Position“, die Bultmanns Buch zwischen der vorherigen Liberalen Theologie und der späteren kerygmatheologischen Kritik einnimmt, sprach Dr. Paul-Gerhard Klumbies, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft an der Universität Kassel, in seinem Vortrag „Rudolf Bultmanns Geschichte der synoptischen Tradition in theologischer Wahrnehmung“.
Klumbies schilderte den formgeschichtlichen „Zugriff auf die biblischen Texte, der quasi in der Luft liegt und nach dem Ersten Weltkrieg zu voller Entfaltung gelangt“. In Politik und Kultur habe sich „der Verlust der vergangenen Geschichte und das Fehlen von Zukunftsgewissheit“ niedergeschlagen. Auch in der dialektisch-theologischen Diastase zwischen Mensch und Gott sei spürbar geworden: „Alle Realität ist Fragment!“ Und die Überlieferung in den synoptischen Evangelien biete in den Werken von Karl Ludwig Schmidt, Martin Dibelius und Rudolf Bultmann „das Bild einer Trümmerlandschaft“.
Hier gelte nun: „In dem Maße, in dem bei Bultmann Überzeugungen aus der dialektischen Theologie sichtbar werden, lässt sich seine Puzzlearbeit als ein Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Liberalen Theologie begreifen.“ So habe „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ gegenüber der Liberalen Theologie „drei historisch begründete Sicherungsmaßnahmen“: „1. Das Markusevangelium bietet statt durchlaufender „Textfäden“ Perikopenüberlieferung. 2. Die Überlieferung besitzt ihren Sitz im Leben nicht in der Lebensgeschichte Jesu, sondern in der nachösterlichen Verkündigung der Urgemeinde. 3. Die mündliche Überlieferungsschicht verhindert methodisch den direkten Zugriff aus der Schriftlichkeit auf Jesus als historische Person.“ Diese drei Einwände „fügen sich“, so Klumbies, „bruchlos zu dem theologischen Widerspruch gegen die Liberale Theologie, den Bultmann in den 1920er Jahren zunehmend ausformuliert“.

Formgeschichte gegen Literarkritik

Ausführlich setzte sich Klumbies mit Walther Schmithals´ Auffassung auseinander, die Formgeschichte sei mit den theologischen Grundlagen der Kerygmatheologie unvereinbar, da sie noch immer von der Frage nach dem historischen Leben Jesu getrieben sei. Schmithals, der die Annahme einer mündlichen Überlieferungsschicht ablehne und eine literarische Einheit des Markusevangeliums postuliere, rechne nur mit einer Tradition formelhafter Credo-Überlieferung. Diese sei von dem Verfasser einer „Grundschrift“ auf der Grundlage eines kreuzestheologisch fundierten Christusglaubens kreativ in eine Erzählung über Jesus umgegossen worden, die der Endredaktor Markus zur Endgestalt des Markusevangeliums „verschlimmbessert“ habe. Mit diesem literarkritischen Vorgehen wolle Schmithals gerade nicht die alte Überlieferungskontinuität zur Lebenszeit Jesu zurückgewinnen, sondern kritisiere an Bultmanns Buch, er würde „genau eine solche historische Rückbindung vorführen“.
Bei Bultmann dagegen, so Klumbies, diente die formgeschichtliche Methode „der Distanzierung von der literarkritisch fundierten historischen Jesusforschung“. Schmithals verwende „umgekehrt eine reformierte Literarkritik als Werkzeug gegen eine zur historischen Kontinuitätssicherung zweckentfremdeten Formgeschichte“, wie es noch heute von Gegnern Bultmanns verwendet werde, die stabile mündliche Überlieferungsprozesse behaupten.

Untrennbar: Historische und theologische Exegese

„ Es ist als Bultmanns bleibende Einsicht festzuhalten, dass sich die uns vorliegenden Evangelien einem geschichtlichen Prozess verdanken, den zu erkennen das Verstehen erleichtert und letztlich überhaupt erst möglich macht.“ Dieses Fazit zog der emeritierte Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel, Dr. Andreas Lindemann, in seinem Vortrag „Die Geschichte der Synoptischen Tradition als hermeneutisches Programm“.
Auch Lindemann erinnerte an Konrad Hammann, demzufolge es für Bultmann in der Exegese nicht darum gehe, Geschichte nachzuzeichnen, es gehe darum, sie zu verstehen. Entscheidend sei, dass wir den Anspruch der Geschichte auf uns erkennen, dass sie uns Neues zu sagen habe. Bultmann selbst habe erklärt: „Im tatsächlichen Vorgang der Exegese steht die historische und die theologische Exegese in einem nicht analysierbaren Zusammenhang, weil ja die echte historische Exegese auf der existentiellen Begegnung mit der Geschichte beruht, also mit der theologischen zusammenfällt, wenn anders das Recht dieser eben auf der gleichen Tatsache beruht“. Theologisch werde die Arbeit des Exegeten nicht durch seine Voraussetzungen und seine Methode, sondern durch das Neue Testament als ihren Gegenstand. Daher fasste Lindemann die Position Bultmanns zusammen: „Das Nachdenken über das Verstehen von Texten ist immer verbunden mit dem Nachdenken über Geschichte, historische Exegese und theologische Exegese sind also gar nicht voneinander zu trennen.“
Zu den hermeneutischen Implikationen der „Geschichte der synoptischen Tradition“ gehört nach Lindemann zunächst die von William Wrede übernommene Annahme, dass der Autor des Markusevangeliums in der Gemeindetheologie stand und die ihm überkommene Tradition nach diesem Gemeindeglauben ordnete und bearbeitete. Bultmann wolle nun aus den Formen der literarischen Überlieferung auf die Motive des Gemeinschaftslebens, den „Sitz im Leben“ zurückschließen und aus dem Gemeinschaftsleben heraus die literarischen Formen verständlich machen. Dabei sei es ihm auf Grund des unliterarischen Charakters des Überlieferungsstoffes gleichgültig, ob die Überlieferung mündlich oder schriftlich erfolgt sei.
Lindemann dazu: „Das mag man bezweifeln, denn bei der Analyse eines Textes der synoptischen Überlieferung wird man die möglichen vorliterarischen, mündlichen Stufen kaum in ihrem Wortlaut rekonstruieren können; aber wenig wahrscheinlich ist umgekehrt die Annahme, Gleichnisse, ´Herrenworte´ oder Wundererzählungen seien immer schon schriftlich tradiert worden.“ Jedenfalls habe Bultmann gemeint, „Überlieferungsprozesse seien tatsächlich zu erkennen und man habe ihnen nachzugehen, da man nur so die am Ende vorliegende ´Gesamterzählung´ angemessen verstehen könne“.

Theologie bei Markus

Auch den „theologischen Charakter“ der Evangelien sollte, so Lindemann, in der „Geschichte der Synoptischen Tradition“ zur Sprache kommen. So beruhte für Bultmann die Redaktionsarbeit des Markus „ganz wesentlich auf schriftstellerischen Motiven“, wenn sich auch „dogmatische Motive“ in der Zeichnung Jesu einmischten. Nach der „Geschichte der synoptischen Tradition“ sei es Markus gelungen, die Tradition in den „hellenistischen Gemeinden der paulinischen Sphäre“ „mit dem christologischen Kerygma dieses Christentums zu verbinden, in ihr die christlichen Mysterien, Taufe und Abendmahl zu verankern und so erstmals eine Darstellung vom Leben Jesu zu geben, die mit Recht als euanggelion Iesou Christou bezeichnet werden konnte (Mk 1,1).“ Dazu Lindemann abschließend: „Aus diesen zutreffenden Beobachtungen würde ich folgern, dass Bultmann bei Markus tatsächlich offenbar ´mehr Theologie´ gesehen hat, als er aus der Perspektive der formgeschichtlichen Methode dem Evangelisten eigentlich zuzugestehen bereit war.“
„Mit Bultmann über Bultmann hinaus denken“, das war das Plädoyer von Dr. Martin Bauspieß, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl III der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, in seinem Vortrag „Jesus in Anführungszeichen. Zum Ertrag von Bultmanns Geschichte der synoptischen Tradition“.
Ausführlich beschrieb Bauspieß die Entwicklung von Bultmanns Hermeneutik bis zu seinem Buch „Jesus“, in dem sich Bultmann auf seine kritische Analyse in der „Geschichte der synoptischen Tradition“ bezieht und zum Gegenstand des Jesus-Buches schreibt: „Wer dieses ,Jesusʼ für sich in Anführungsstriche setzen und nur als abkürzende Bezeichnung für das geschichtliche Phänomen gelten lassen will, um das wir uns bemühen, dem sei es unbenommen.“ Lange zuvor schon habe Bultmann festgestellt: „Ein tiefer Graben trennt die synoptische Geschichte Jesu von der wirklichen. Unsere Überlieferung bietet uns nur den Christus der Gemeinde.“

„Synoptische Geschichte“ und „wirkliche Geschichte“

Gegenüber der „synoptischen Geschichte“ sei, so Bauspieß, die „Begegnung mit der ´wirklichen´ Geschichte (…) das hermeneutische Anliegen Bultmanns.“ Dabei handele es sich um „eine Begegnung, in der die Geschichte zur `Anrede´ wird“, und die die Gemeinde mit Jesus verbindet. Das „geschichtliche Ereignis“, dem man in Jesus begegnen kann und an das das Kerygma anknüpft, sei für Bultmann die Wortverkündigung Jesu. Demgegenüber diene die Erzählüberlieferung der „Darstellung des Mythos“, der insbesondere die hellenistische Tradition des Urchristentums beherrscht habe. Bultmanns Scheidung von Tradition und Redaktion mit Hilfe der von Herman Gunkels „Gattungskritik“ entwickelten Formgeschichte habe das Ziel, „den „geschichtlichen Platz“ der synoptischen Tradition, „ihren Charakter als primäre oder sekundäre Tradition oder als Redaktionsarbeit zu erkennen“. Dabei verwende Bultmann ein von Wilhelm Heitmüller und Wilhelm Bousset geprägtes Bild von der Gemeindegeschichte, das von einer sichtbaren Trennung von palästinensischem und hellenistischem Urchristentum ausgehe. Bauspieß dazu: „Zwar überwindet Bultmann die Frage der liberalen Leben-Jesu-Forschung nach der ´Persönlichkeit Jesu´, in seiner Priorisierung der Verkündigung Jesu erweist sich Bultmann dennoch als ihr Erbe.“
Demgegenüber hielt Bauspieß fest, neutestamentliche Erzählungen seien nicht in die Kategorie des Mythos einzuordnen, sondern „ein Stück narrativer Theologie“. Die Entstehung der Evangelien sei Ausdruck der Einsicht, „dass der Gegenstand des christlichen Glaubens eine Person ist, die deshalb keineswegs einfach ´in Anführungsstriche´ gesetzt werden kann“. Es sei zwar die entscheidende Leistung der „Formgeschichtlichen Schule“, die Synthese zwischen historischer Tradition und Theologie „historisch herausgearbeitet zu haben“. Da aber die Evangelien nicht von einem „Mythos“ sondern von der „paradoxen Überzeugung“, ausgingen, dass in einem Menschen Gott begegnet, werde, so Bauspieß, „die Verkündigung Jesu, von der die synoptischen Evangelien erzählen, in einem narrativen Rahmen geboten, die sie bereits interpretiert“.
„Bultmanns Analysen in der ´Geschichte der Synoptischen Tradition´“, so die Schlussfolgerung des Referenten, „können an vielen Stellen überzeugen, an nicht wenigen Stellen aber erweisen sie sich auch als bloße Spekulation, die von einem vorausgesetzten Bild der Gemeindegeschichte geleitet ist.“ Es bleibe Bultmanns Verdienst, „nach der historischen Kritik der Aufklärung den Weg zur Entdeckung des eigenständigen Charakters der synoptischen Evangelien als einer theologisch bestimmten Literaturgattung angebahnt zu haben.“ In seiner Reduktion Jesu auf sein Wort, die die Narration lediglich zur äußeren Schale erkläre, verharre Bultmann jedoch in der Tradition der Liberalen Theologie. Daher schlägt Bauspieß vor: „Mit Bultmann über Bultmann hinaus zu denken, könnte bedeuten, diese Reduktion in der Lektüre der synoptischen Evangelien zu überwinden und sie als Form narrativer Christologie und Theologie wieder neu zu entdecken.“

Christoph Weist






22. Jahrestagung 2020

Nachdenken über Gott. Theologie im Spiel der Disziplinen

17.-19.02.2020
Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

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21. Jahrestagung 2019

Braucht der Mensch Erlösung?

18.-20.02.2019
Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

Erlösung schafft heilvolles Leben. Auch deshalb ist Erlösung ein zentrales Thema der biblischen Texte und der jüdisch-christlichen Tradition. Die Kontexte sind vielfältig, in denen von Erlösung die Rede ist. Der Exodus aus Ägypten befreit die Israeliten von einer langjährigen Knechtschaft. Die erhoffte, erlebte oder verwehrte Befreiung von Fremdherrschaft ist auch gemeint. Erlösung von Schuld und Sünde des einzelnen Menschen und eines Kollektivs sind weitere verwandte Motive. Es wird weiter erzählt von Erlösung aus Krankheit und Tod. Und im Neuen Testament wird der Tod Jesu Christi selbst als ein Erlösungsgeschehen interpretiert.

Aber braucht der Mensch wirklich Erlösung? Entspricht dies unserer Lebenswirklichkeit? Oder wird dem Mensch mit dieser Frage nicht eine Bedürftigkeit unterstellt, die er gar nicht kennen muss und die er gar nicht hat? Ist die religiöse Rede von Sünde und Schuld überhaupt angemessen und wie sollte von Sünde und Schuld theologisch verantwortet geredet werden? Und wer sind die Subjekte der Erlösung? Welche Rolle spielt der Mensch? Wie verhält es sich mit Gott als Subjekt der Erlösung?

Eine Herausforderung ist es, die Vorstellungen von Erlösung und die Bereiche der Erlösungsbedürftigkeit genau zu bestimmen. Gerade das soll geschehen, wenn theologische, gesellschaftliche und weitere Perspektiven gesucht werden. Es ist gleichermaßen eine anthropologisch und theologisch grundlegende Frage, die konkrete Antworten fordert. Die Reichweite religiöser, politischer, ökonomischer und naturwissenschaftlicher Erlösungsangebote muss eingeschätzt werden. Auch eine Erlösungsbedürftigkeit sollte hinterfragt werden.

Ein kritischer Diskurs ist also erforderlich. Wir selbst kommen mit den Fragen unserer Existenz dabei ausdrücklich in den Blick. Erlösung kann kein Mensch nur für sich erlangen. Das Ziel unserer Erlösung wäre ein Leben in einem guten Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis. Dem näher zu kommen dient unser Gespräch.


Referentinnen und Referenten:

Prof. Dr. Albrecht Grözinger (Basel): "...uns aus dem Elend zu erlösen" - Gelebte (Erlösungs-)Religion zwischen Totalitarismus und individueller Freiheit
Prof. Dr. Marianne Grohmann (Wien): Zur Erlösungsbedürftigkeit des Menschen in Psalmen und Klageliedern
Prof. Dr. Volker Leppin (Tübingen): Der Fall als Verlust des Humanum. Zu anthropologischen Konzepten in der Theologie und Frömmigkeit des Mittelalters und der Reformation
Dr. Lilian Marx-Stölting (Berlin): Erlösung durch Gentechnologien? Überlegungen aus naturwissenschaftlicher und jüdischer Perspektive
Prof. Dr. Eckart Reinmuth (Rostock): Erlösung. Neutestamentliche Perspektiven
Prof. Dr. Dorothee Schlenke (Freiburg): Differenzerfahrung und personale Integrität. Zur Plausibilisierung theologischer Rede von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen

20. Jahrestagung 2018

Plakat 2018
Flyer 2018 01
Flyer 2018 02

Wahrheit – Glaube – Geltung
Theologische und philosophische Konkretionen

19.-21.02.2018
Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

Mit dem christlichen Glauben verbinden sich ganz eigene Wahrheitsvorstellungen. Was als Wahrheit begriffen und gelebt werden soll, muss in Form und Inhalt ausdrücklich aufgesucht und erläutert werden. Nur so kann Wahrheit eine das Leben der Menschen orientierende Kraft entfalten. Allerdings verdankt sich die im Glauben zugängliche Wahrheit einem Handeln Gottes, das unserem Nachdenken vorausgeht und von dem unser Wahrheitsverständnis abhängig ist. Insofern diese Voraussetzung außerhalb des Glaubens nicht unterstellt werden kann, ist der strittige Charakter seiner Wahrheit mit ihm selbst schon vorhanden.

Die Entstehung der biblischen Texte und die folgende Geschichte der Kirche kann als eine fortlaufende und
sich stets wandelnde Auseinandersetzung über die Wahrheit des christlichen Glaubens aufgefasst werden. Es waren und es sind stets strittige Diskurse, in denen Glaubensverständnis, Frömmigkeitspraxis und philosophische Konzepte bei der Formulierung und der Durchsetzung von Wahrheitsansprüchen entscheiden. Nicht zuletzt sind dabei auch gesellschaftliche Verhältnisse sowie politische und wirtschaftliche Macht von Bedeutung. Aktuell entwickeln sich zudem mediale Bedingungen, die den Diskurs über Wahrheitsansprüche neu prägen.

Die Geltung der im Glauben gefundenen Wahrheit muss in unserer Gegenwart vor dem Hintergrund dieser komplexen Bedingungen gründlich erörtert werden. Die aktuellen Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft sollen beachtet werden. Philosophische und theologische Konzepte werden zur Sprache kommen. Biblische Texte werden gründlich auf ihre Wahrheitsvorstellungen und Geltungsansprüche befragt. All diese Themen führen notwendig mitten in die vielschichtigen, spannenden und auch fordernden Auseinandersetzungen unserer Zeit. Es soll ein offenes Gespräch entstehen, das unterschiedliche Perspektiven zulässt und das den Blick auf die Orientierungskraft der im Glauben zugänglichen Wahrheit frei macht.



Petra Bahr, Jahrgang 1966, Landessuperintendentin des Sprengels Hannover der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers; Forschungsarbeiten zu Ethik, Religionsphilosophie, Kultur und Politik.

Volker Gerhardt, Jahrgang 1944, Professor für Praktische Philosophie, Rechts- und Sozialphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin; Forschungsschwerpunkte: Grundlegungsfragen der Ethik und der Politischen Philosophie, Philosophische Ästhetik, Philosophie Platons, Kants, Nietzsches, Kelsens, Schmitts, Cassirers, Voegelins, Jaspers’, Arendts, Fragen der Angewandten Ethik und der Biopolitik.

Isolde Karle, Jahrgang 1963, Professorin für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum; Forschungsschwerpunkte: Genderfragen, Kirchliche Reformprozesse, Poimenik, Fragen von Krankheit, Körperlichkeit, Sexualität und Ehe, Religion und Gesellschaft.

Corinna Körting, Jahrgang 1967, Professorin für Altes Testament und altorientalische Religionsgeschichte an der Universität Hamburg; Forschungsschwerpunkte: Kult und Ritual in Israel und im Alten Orient, Psalmen, Zion, Prophetie des Zweiten Tempels, Rezeptionsgeschichte.

Ulrich H. J. Körtner, Jahrgang 1957, Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien; Forschungsschwerpunkte: Fundamentaltheologie, Hermeneutik, Ethik, Diakonie, Ökumenische Theologie, Eschatologie und Apokalyptik.

Malte Dominik Krüger, Jahrgang 1974, Professor für Systematische Theologie an der Philipps-Universität Marburg; Forschungsschwerpunkte: Bild- und Symboltheorie, Religionsphilosophie und -hermeneutik, Trinitätstheologie der (Spät-)Moderne, Theorien des Protestantismus, Konzeptionen von Leiblichkeit.

Michael Labahn, Jahrgang 1964, apl. Professor für Neues Testament an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Forschungsschwerpunkte: Johannesevangelium, Jesusforschung, Logienquelle, Antike Religionsgeschichte, Rezeption des Alten Testaments im Neuen Testament, Neutestamentliche Wundergeschichten.

Christof Landmesser, Jahrgang 1959, Professor für Neues Testament an der Eberhard Karls Universität Tübingen; Forschungsschwerpunkte: Paulus und die Paulusschule, Theologie und Hermeneutik des Neuen Testaments.

19. Jahrestagung 2017

Räume der Gerechtigkeit

20.-22.2.2017

Die Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie diskutierte auf ihrer 19. Jahrestagung Konkretionen schöpfungsgemäßen Lebens

„Gerechtigkeit leben – Konkretionen des Glaubens in der gegenwärtigen Welt“, das war das Thema der 19. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie e.V. vom 20. bis 22. Februar 2017 in der Evangelischen Tagungsstätte Hofgeismar bei Kassel. Das Thema war die Weiterführung der Jahrestagung 2016 „Gerechtigkeit verstehen“, bei der theologische, philosophische und hermeneutische Perspektiven des Gerechtigkeitsbegriffs im Mittelpunkt standen.

„Wo Gerechtigkeit verstanden wird, da drängt sie schon in die Wirklichkeit, in das Leben selbst“, erklärte der Vorsitzende der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft, der Tübinger Neutestamentler Prof. Dr. Christof Landmesser, in seiner Begrüßung vor 70 Teilnehmenden aus Wissenschaft und Kirche im Synodensaal des neu renovierten Tagungszentrums. Gelebte Gerechtigkeit meine „genau diese Konkretion von verstandener Gerechtigkeit, die im Leben eines Menschen vollzogen wird und sich so in der Welt ereignet“. Gerechtigkeit „ändert das Leben, sie bestimmt die Existenz, sie gestaltet die Welt. Wo Gerechtigkeit nicht ist, da entstehen Not, Angst, Krieg, Flucht, soziale Ausgrenzung, der Blick in unsere Welt lehrt uns dies täglich auf bedrängende Weise.“ Landmesser verwies auf die Flüchtlingslager in Afghanistan und im Irak, auf die Bilder aus Aleppo und auf die Menschen, die über das Mittelmeer zu fliehen versuchen: „Viele schaffen es nicht, ungenannte Menschen, niemals kehren sie wieder“. Verstecktere Ungerechtigkeiten gebe es in den Familien, den engsten Beziehungen, im Geschäftsleben, an den Universitäten und in den Kirchen. Landmesser: „Auch für all diese Phänomene erhoffe ich mir von dieser Tagung einen geschärften Blick. Aber vor allem wünsche ich mir einen freien Blick, welche Räume uns die Gerechtigkeit schafft im Leben. Ich erhoffe mir, dass wir zumindest an manchen Stellen eine neue Idee von Gerechtigkeit erhalten, einen Schuss Phantasie, wie wir der Gerechtigkeit Raum schaffen können, die Lust darauf, ein Leben in Gerechtigkeit mit zu gestalten. Denn wo Gerechtigkeit wirklich ist, da ist das von Gott, dem Schöpfer, gewollte Leben auch.“

Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes

Im Umgang mit dem Neuen Testament hat man „in einem hermeneutischen Prozess die Gegenstände, Äußerungen und Handlungen wahrzunehmen (…), die im Diskurs um die gesellschaftliche Ordnung einen Standpunkt beziehen“. Das war die Ausgangsthese des Eröffnungsvortrags der Tagung „Soziale Gerechtigkeit und ihre politische Verwirklichung im Neuen Testament“ des Marburger Professors für Neues Testament Lukas Bormann. In ausführlichen Beweisgängen wies Bormann auf, dass die neutestamentlichen Texte „von einem Standpunkt her sprechen, der die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit miteinschließt, der Distanz zur Macht der Welt hält, vom Besitz die größeren Gefahren ausgehen sieht und schließlich für die gleichberechtige Teilhabe derjenigen, die am Rand stehen, eintritt“. Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit werde „jeweils als Bestandteil der Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes verstanden“.

Wird im lukanischen Schrifttum der Ausgleich zwischen Arm und Reich als Ausdruck der Umkehr des exemplarischen Einzelnen zur Wiederherstellung Israels verstanden, bezieht sich nach Bormann die paulinische Ethik auf die Gemeinde, die sich in Distanz zur Welt halten und in ihrem ethischen Verhalten an die Ethik der Synagoge anknüpfen soll. Für die übrigen Schriften des Neuen Testaments ist soziale Gerechtigkeit ein Thema der Binnenethik. So werde im Johannesevangelium das Liebesgebot „auf die innergemeindliche Bruderliebe konzentriert, wenn nicht gar beschränkt“. Die Johannesoffenbarung denke ihre politischen Optionen konsequent durch und enthalte „zweifellos die schärfste explizite Kritik an der Wahrnehmung der politischen Macht in der Mehrheitsgesellschaft“. Die Vorstellung vom machtvollen Eingreifen Gottes werde bis zum Pantokratorbegriff gesteigert.

Warnung vor Überdehnung

Vor einer Überdehnung des Gerechtigkeitsbegriffs, wie sie in der aktuellen politischen Diskussion zu beobachten sei, warnte Professor Dr. Rochus Leonhardt, Leipzig, in seinem Vortrag „Gerechtigkeit. Zur Gefahr der Überdehnung eines sozialethischen Zentralbegriffs“. Eine solche Beschwörung des Gerechtigkeitsideals, so der Systematiker, drohe „den Gerechtigkeitsbegriff seiner sozialethischen Signifikanz dadurch zu berauben, dass sie einerseits illusionären Utopismus nährt und andererseits Enttäuschungserfahrungen produziert“.

Beim heutigen Gerechtigkeitsverständnis handelt es sich, so Leonhard, „ um eine die kategoriale Differenz zwischen iustitia Dei und iustitia hominis abblendende – und insofern säkularisierte – Radikalisierung des Ansatzes von Zwingli“, bei dem die Differenz zwischen göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit eine lediglich quantitative gewesen sei. Dabei entstehe die Überdehnungsgefahr, „wenn eine normative Weltwahrnehmung (es soll gerecht zugehen) nicht mehr begleitet ist von einer empirischen Weltwahrnehmung, die die Aporien und Grenzen gerechtigkeitsfördernden menschlichen Handelns präsent hält“. Als Beispiel nannte Leonhard die aktuelle Forderung nach vollständiger Inklusion im Regelschulbereich, die in den deutschen Bundesländern nicht praktikabel sei. Der Bochumer Sozialethiker Uwe Becker habe in diesem Zusammenhang dafür plädiert, die Leistungszentriertheit der Bildungsinstitutionen überhaupt aufzugeben. Leonhard: „Die Gerechtigkeitssprödigkeit der Realität soll also durch eine umfassende Transformation der Wirklichkeit überwunden werden.“ Nach Martin Luther gelte jedoch: „Die Werke, in denen dieses Welthandeln besteht, gefallen Gott, sofern sie im Glauben wurzeln, der sich in ihnen manifestiert. Aber sie können niemals schlechthin perfekt sein, vielmehr partizipieren sie notorisch an der Nicht-Perfektibilität des Menschen in seiner faktischen Handlungswelt.“

Luther und die „gemeine Regel“ der Kaufleute

Näher beschrieb Luthers Position die Bonner Kirchenhistorikerin Professorin Dr. Ute Mennecke mit ihrem Vortrag „Kann im Kaufmannsstand Gerechtigkeit gelebt werden? Luthers Interpretation der Lehre vom iustum pretium“. Grundsätzlich sei „der Begriff der Gerechtigkeit (…) für Luther als Bezeichnung des ethischen guten Handelns des Menschen nahezu unbrauchbar“. Gerecht ist der Mensch vor Gott im Glauben, weil Gott ihm seine Gerechtigkeit zuspricht, dem Gerechtsein aus Glauben soll jedoch ein Handeln aus Liebe entsprechen.

Ausgehend von Luthers Kleinem und Großem Sermon vom Wucher (1519 und 1520) und seiner Schrift „Von Kaufshandlung und Wucher“ (1524) schilderte Mennecke die grundsätzliche Ablehnung Luthers von Kreditgeschäften. Gemäß der Bergpredigt habe Luther die Bereitschaft des Christen zur Selbstlosigkeit und zum Verzicht auf den Eigennutz gefordert. Schon immer habe für Kleriker ein Zinsverbot gegolten, seit dem 9. Jahrhundert sei es auch auf die Laien ausgeweitet worden. Während später jedoch „die aktuelle Diskussion eher dahin tendierte, das Zinsverbot endgültig abzuschaffen, will Luther es in seiner Radikalität als richtig, sachgemäß, darstellen und einfordern.“

Kritisiert habe Luther auch die „gemeine Regel“ der Kaufleute „Ich mag meine wahr so thewr geben alls ich kann“. Vielmehr habe zu gelten: „´So theur…wie ich soll oder wie recht und billig ist´. Denn beim Kaufen und Verkaufen übe der Mensch ein Werk gegen seinen Nächsten, und deshalb müsse dabei auch beachtet werden, dass man dem Nächsten nicht schade“. Bei der Berechnung seines Lohnes soll der Kaufmann „von dem ausgehen, was ein Tagelöhner pro Tag verdient, und dann den Faktor Mühe und Gefahr hinzunehmen“. Die Kirchenhistorikerin betonte, „dass Luther hier eine Berufsethik begründet“. Es gehe „um das Handeln in einem Beruf, von dem einer mit seiner Familie angemessen leben muss“. Die christliche Selbstlosigkeit , die Luther in den Wuchersermonen verlangt habe, könne hier nicht uneingeschränkt eingefordert werden.

Die ausgeklammerte Gerechtigkeitsthematik

„Querschnittsthemen wie Gerechtigkeit fordern (…) die praktische Theologie heraus, ihr traditionelles, pastoral-theologisch ausgerichtetes Verständnis zu überdenken und inhaltlich orientierte Fragestellungen verstärkt aufzunehmen.“ Das erklärte der Professor für Praktische Theologie und Diakoniewissenschaft und Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg Dr. Johannes Eurich in seinem Vortrag über „Gerechtigkeit in Praktisch-theologischer Perspektive“. Das Thema werde inhaltlich in unterschiedlichen kirchlichen Handlungsfeldern bearbeitet, sei aber noch nicht „in der Breite der praktisch-theologischen Diskussion angekommen“.

So sei in neueren Grundlagenwerken der Praktischen Theologie die Gerechtigkeitsthematik vollständig ausgeklammert, in Predigten dominierten „individualistisch verengte Aufforderungen zu gerechtem Handeln, welche die institutionellen Aspekte desselben abblenden und für die angesprochenen Hörenden eine Überforderung darstellen dürften“. Eurich schlug demgegenüber vor: „Die in der Ethik diskutierten Gerechtigkeitskonzepte bieten Schnittflächen zur Praktischen Theologie und können zugleich als Horizont für die praktisch-theologische Diskussion fungieren.“

Der Referent beschrieb mit Beispielen die Funktion des Gerechtigkeitsbegriffs in den Bereichen Bildung und Diakonie sowie im Leitungshandeln der Kirche. Etwa in der Frage des „Dritten Wegs“ bei den Rechten kirchlicher MitarbeiterInnen oder bei der Inklusionsthematik in evangelischen Schulen und bei kirchlichen Veranstaltungen: „Im Kern geht es darum, wie der Fokus auf die Selbst-Erhaltung der Organisation Kirche mit der funktionalen Ausrichtung auf die Inklusion randständiger Menschen vereinbart werden kann.“ Es komme darauf an, „dass sich die Kirche als Akteurin in gesellschaftlichen Fragen nicht zurücknimmt, sondern ihre Potenziale zur Weiterentwicklung einer sozial gerechteren Gesellschaft wahrnimmt“.

Keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit

Für den Probst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Dr. Christian Stäblein, Berlin, wird Gerechtigkeit als kirchlicher Auftrag konkret „in dem, was wir heute Beteiligungs- und in gutem Sinne Befähigungsgerechtigkeit nennen. Also Bildung, Teilhabe.“ In seinem Vortrag „Kein Läuten in Unterleuten? – Kirche zwischen der Sonne der Gerechtigkeit und dem Meer der Perspektiven“ schilderte Stäblein anhand des Romans „Unterleuten“ der Schriftstellerin Juli Zeh, den Kosmos eines fiktiven Dorfes in Brandenburg, „ in dem die Menschen sich gegenseitig zu Grunde richten“, wo jeder „seine Gebote“ hat, die Kirche nicht vorkommt und „die Auflösung von Wahrheit und Gerechtigkeit“ stattfindet. Stäblein: Wenn es „keine Wahrheit jenseits der Perspektiven“ gebe, „ da kann es - so scheint es - erst recht keine Gerechtigkeit mehr geben.“ Und: „Die Menschen haben nach Jahrzehnten der forcierten Säkularität womöglich vergessen, dass sie Gott vergessen haben.“

Allerdings werde mit Kirche noch „Verteilungsgerechtigkeit, Distributionsgerechtigkeit, ihr Anspruch, ihre Durchsetzung, ihre Verteidigung“ verbunden. Auch der Probst mahnte jedoch im Blick auf den Gerechtigkeitsbegriff Martin Luthers: „Es ist stets einfacher, Institution der Gerechtigkeit zu sein, bzw. sich als solche zu wähnen, und diese vermeintlich austeilen zu können, als selbst auf Gerechtigkeit – auf fremde Gerechtigkeit – angewiesen zu sein.“ Entscheidend sei die Unterscheidung zwischen iustitia aliena und der iustitia actualis „wenn aus der Kirche nicht bloß eine Agentur für menschliche Hilfe und Gerechtigkeitsausgleich werden soll, so wichtig letzteres auch sein mag“. Der Verlust gesellschaftlicher Relevanz der Kirchen hänge „womöglich auch an einer vorschnellen Anknüpfung an der vermeintlich alleinrelevanten Kategorie von praktischer, erworbener, umzusetzender, zu verteilender menschlicher Gerechtigkeit, iustitia civilis actualis“.

Das zweispurige Strafrecht

Die Möglichkeiten menschlicher Gerechtigkeit beleuchtete abschließend der Professor für Kriminologie, Straf- und Sanktionenrecht Dr. Jörg Kinzig in seinem Vortrag „Strafgerechtigkeit und strafrechtliche Sanktionen“. Der Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität Tübingen vermerkte: „Über „Strafgerechtigkeit“ oder die Findung einer gerechten Strafe scheinen sich die Strafjuristen in ihrem Berufsalltag nicht übermäßig Gedanken zu machen“, die gerechte Strafe sei kein „terminus technicus“ des Strafgesetzbuchs.

Kinzig der einen Überblick über die in Deutschland möglichen Sanktionen Freiheits- und Geldstrafen sowie das Fahrverbot als „Nebenstrafe“ gab, erklärte: „Der weitgehende Verzicht auf kurze Freiheitsstrafen und die vielen Geldstrafen dürften dazu beitragen, dass sich in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten nur relativ wenige Menschen in den Gefängnissen befinden.“ Kinzig sprach von einem „zweispurigen Strafrecht“: die eine Spur bestehe aus den Strafen, die andere aus Maßregeln der Besserung und Sicherung. Als Zweck der Strafe stehe der präventive Rechtsgüterschutz im Vordergrund.

Ausgangspunkt der Strafzumessung sei die Schuld des Täters, wobei sich allerdings bei der Bestimmung des Verhältnisses von Schuld und Strafe in der Praxis nur Näherungswerte ergeben können. Kritisch äußerte sich der Jurist über große regionale Ungleichheiten in der Strafzumessung sowie über das „scharfe Schwert“ der Sicherungsverwahrung. Es handele sich dabei „um eine Haft für (noch?) nicht begangene Straftaten“, die „ im Wesentlichen auf einer unsicheren Gefährlichkeitsprognose“ basiere und auf der „bloßen Annahme“, dass diese Person „nach dem Ende ihres Strafvollzugs, in Freiheit entlassen, wieder schwer rückfällig würde“.

Die gesamttheologische Verantwortung der Bultmannschule: Ein Rückblick auf 90 Jahre

In einem dem Rückblick gewidmeten Abend stellte der Münsteraner Kirchenhistoriker Professor Dr. Konrad Hammann in einem detailreichen, auf umfangreiches Quellenmaterial gestützten Vortrag die Anfänge der „Alten Marburger“ vor 90 Jahren dar. Hammann, der u.a. mit einer Biographie über Rudolf Bultmann hervorgetreten ist, hob hervor, dass die Alten Marburger „ihre Themen von Anfang an in gesamttheologischer Verantwortung, nicht etwa auf die Ermittlung historischer Richtigkeit reduziert, und im beständigen Bezug auf die Gegenwartsbedeutung des christlichen Glaubens“ behandelt haben.

Die Initiative zur Einrichtung der (erst später so genannten) Alten Marburger ging, so Hammann, nicht von Bultmann aus, „sondern von einigen seiner Schüler, die sich nach dem von ihnen bestandenen Fakultätsexamen im Oktober 1926 mit Bultmann im Marburger Schlosscafé zu einer kleinen Feier ihres Studienabschlusses trafen“ und den Wunsch äußerten sich auch künftig mit ihrem Lehrer zur theologischen Arbeit zu treffen.1927 fand die erste Tagung der neuen theologischen Arbeitsgemeinschaft, die bis 1936 noch keinen festen Namen hatte, in Marburg statt. Der Intention der theologischen Arbeit Bultmanns kam das entgegen. Hammann: „Für die Feststellung allgemeiner Wahrheiten oder bloßer Lehrsätze war ein kommunikativer, ergebnisoffener Austausch mit anderen Theologen nicht erforderlich, für eine Theologie, die sich um die Klärung des inneren Zusammenhanges von Glauben und verstehen mühte, hingegen sehr wohl.“ Bultmann habe den Austausch mit seinen früheren Seminarteilnehmern als „sehr wertvoll“ für sich selbst und als förderlich für seine Schüler betrachtet. Ausführlich beschrieb Hammann auch die späteren Auseinandersetzungen Bultmanns mit Karl Barth über die natürliche Theologie und das Verhältnis von Philosophie und Theologie, in deren Verlauf Barth ein zugesagtes Referat auf der Marburger Tagung 1930 kurzfristig absagte.

Der Kirchenhistoriker betonte, dass die Alten Marburger dem Ziel der gesamttheologischen Verantwortung auch verpflichtet blieben, als sie 1949 auf Anregung von Ernst Fuchs und Günther Bornkamm ihre jährlichen Tagungen wieder aufnahmen.

Die alte „Norm“ der Tagungsprogramme

Dass der Kreis der Alten Marburger „der Zurüstung von Theologen für das Predigtamt dienen sollte“ unterstrich ergänzend der Berliner Pfarrer i.R. Dr. Bernd Wildemann, langjähriger Teilnehmer an den Tagungen und Gründungsmitglied der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie e.V. Vor allem in der Nachkriegszeit sei durch den Teilnehmerkreis von Hochschullehrern, kirchenleitenden Persönlichkeiten, Pfarrern, Religionslehrern, aber auch Nichttheologen eine Verbindung von Wissenschaft und Praxis erreicht worden. Wildemann erinnerte daran, dass für den Ablauf der Tagungsprogramme lange Zeit ein exegetischer, ein systematischer und ein philosophischer Vortrag als „Norm“ gegolten habe. Später sei die Zahl der Vorträge und die Fachrichtungen erweitert sowie auch der Bereich der Kirchenleitung berücksichtigt worden, bis 1998 die Umwandlung des freien Arbeitskreises in die Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie e.V. erfolgte.

Christoph Weist

18. Jahrestagung 2016

Gerechtigkeit verstehen.
Theologische, philosophische, hermeneutische Perspektiven

22.-24.2.2016

Evangelische Akademie Baden (Bad Herrenalb)

Menschliches Leben kann sich nur dort angemessen entfalten, wo auch Gerechtigkeit herrscht. Das gilt für alle Ebenen des sozialen Lebens. Persönliche Beziehung und familiäre Strukturen sind genauso auf Gerechtigkeit angewiesen wie Gerechtigkeit in einem Gemeinwesen und zwischen den Völkern zu fordern ist.

Was aber ist Gerechtigkeit? Ganz selbstverständlich und berechtigt fordern wir Gerechtigkeit in allen Bereichen unseres Lebens. Um Gerechtigkeit aber auch zur Geltung zu bringen, ist eine grundsätzliche Verständigung darüber erforderlich, was wir unter Gerechtigkeit verstehen wollen.

Die Suche und die Frage nach Gerechtigkeit ist zutiefst verankert in der jüdisch-christlichen Überlieferung. Im Raum der christlichen Tradition bedarf es deshalb eines genauen Blicks in die biblischen Texte, um nachzuvollziehen, welche Dimensionen von Gerechtigkeit grundlegend sind. Nicht nur das Verhältnis der Menschen untereinander, sondern auch ihr Gottesverhältnis ist für die Frage nach Gerechtigkeit von Bedeutung.

Unser gegenwärtiges Verständnis von Gerechtigkeit verdankt sich freilich auch den philosophischen Diskursen, die seit der Antike bis in unsere Zeit über den Begriff der Gerechtigkeit geführt werden. Wie eng theologische und philosophische Gedankenwelten miteinander verbunden sind, ist bei der Frage nach Gerechtigkeit dann offensichtlich, wenn ein sorgfältiges Gespräch geführt wird.

Gerechtigkeit verstehen bedeutet letztlich, dass Gerechtigkeit gelebt wird. So richtet sich der Blick bei der Frage nach Gerechtigkeit notwendig und ganz selbstverständlich auch auf die Praxis unseres sozialen und kirchlichen Lebens. Gerechtigkeit ist konkret und bestimmt unser Leben.

Die Vorträge der Jahrestagung laden ein, in diesen vielfältigen Bezügen über Gerechtigkeit nachzudenken und vor dem Hintergrund der je eigenen Erfahrungen zu diskutieren und so zu einem Verstehen von Gerechtigkeit in unserer gesellschaftlichen und kirchlichen Wirklichkeit zu finden.

Die Einladung zur 18. Jahrestagung 2016 finden Sie HIER

17. Jahrestagung 2015

Kirche und Gesellschaft
Kommunikation - Institution - Organisation

24.-26.2.2015

Evangelische Akademie Baden (Bad Herrenalb)

Die Kirche befindet sich in einem religiösen Umfeld, in dem etwa der Islam in der Gesellschaft und an den Universitäten an Bedeutung gewinnt. In der Römisch-Katholischen Kirche wird die Problemlage anders wahrgenommen, weil sie sich in die Organisationsform einer Weltkirche eingeordnet sieht. .

Die jüngste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) macht die komplexe und vielschichtige Selbstwahrnehmung evangelischer Christinnen und Christen deutlich. Bis in die Kirchengemeinden hinein lässt sich das spannungsvolle Verhältnis von hohem Engagement und Gleichgültigkeit beobachten. Wie kann eine stabile Beteiligung am Leben der Kirche erreicht werden? Die Kirche muss ihre Aufgaben unter den Bedingungen unserer Gegenwart verstehen und bestimmen.

Die Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft hat ihre zentrale Kommunikationsaufgabe in der Verkündigung des Evangeliums. Diese muss sie in hermeneutischer Verantwortung wahrnehmen. Die Kirche muss sich aber auch ausdrücklich als Institution begreifen, die innerhalb unserer Gesellschaft handelt und wahrgenommen wird. Sie ist als eine Organisation verfasst, in der etwa die Fragen nach einer angemessenen Kirchenleitung von hoher Bedeutung sind. Bei der Aufgabe der Kommunikation können gerade an dieser Stelle durchaus Spannungen auftreten.

Diese komplexen Fragen sollen auf der Jahrestagung gründlich bedacht und diskutiert werden. Die Wahrnehmungen der Vortragenden aus ganz unterschiedlichen Perspektiven der Theologie und der Sozialwissenschaften sind dazu ebenso erforderlich wie die pluralen Erfahrungen aus den Vollzügen kirchlicher Praxis und des Lebens der Teilnehmenden in der Kirche überhaupt.

Christine Gerber, Jahrgang 1963, Professorin für Neues Testament an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Paulus und Paulusschule, hellenistisches Judentum, feministische Theologie, Methodenfragen.

Hans-Peter Großhans, Jahrgang 1958, Professor für Systematische Theologie an der Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Ekklesiologie, Gotteslehre, Ökumene, Christentum in der Gegenwart, Hermeneutik und Religionsphilosophie.

Claudia Lepp , Jahrgang 1965, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der LMU München. Forschungsschwerpunkte: Religions- und Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts

Christoph Meyns, Jahrgang 1962, Dr. theol., Landesbischof der Evangelischlutherischen Landeskirche in Braunschweig. Publikationen u.a. zum Verhältnis von Kirche und Ökonomie sowie zu kirchlichen Organisationsformen.

Claudia Schulz, Jahrgang 1968, Professorin für Theorie und Praxis der Diakoniewissenschaft und der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Forschungsschwerpunkte: Empirische Sozialforschung und Evaluation, Religions- und Kirchensoziologie, Milieus und Zielgruppen in Kirche und Diakonie, Sozialethik

Birgit Weyel, Jahrgang 1964, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Tübingen. Forschungsschwerpunkte: Empirische Religionsforschung, Poimenik und Kasualtheorie.

16. Jahrestagung 2014

Verbindlichkeit und Pluralität
Die Schrift in der Praxis des Glaubens

24.-26.2.2014

Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

Die biblischen Schriften reden in einer großen Vielfalt vom Gottes- und vom Christusglauben. Sie sind über viele Jahrhunderte hinweg entstanden, sie entstammen unterschiedlichen kulturellen Umgebungen und wurden von Menschen verschiedenster Herkunft geschrieben, bearbeitet und überliefert. Die historische Vielfalt der biblischen Schriften ist kaum übersehbar.

Dennoch haben die biblischen Texte bis heute einen besonderen Rang in der christlichen Tradition, wie es auch die reformatorische Wendung sola scriptura zum Ausdruck bringt. In der Praxis der glaubenden Menschen und für das Handeln im Raum der Kirchen werden sie oft mit dem Anspruch besonderer Autorität und Verbindlichkeit eingesetzt und in Erinnerung gebracht. Die notwendige historische Betrachtung dieser heterogenen Texte macht es schwer, eine mit den biblischen Schriften gegebene Verbindlichkeit als selbstverständlich anzunehmen. Zumindest muss eine solche gut begründet werden.

Einer behaupteten, erfahrenen oder auch nur erwünschten Verbindlichkeit steht eine mehrfache Pluralität gegenüber. Zu der Vielfalt der Schriften kommen die unterschiedlichen Auslegungsweisen in der Geschichte und in der jeweiligen Gegenwart hinzu. In einer sich immer mehr ausdifferenzierenden Welt werden auch die Umgangsweisen mit den biblischen Texten pluralisiert. Lange behauptete oder auch vorausgesetzte Verbindlichkeiten verlieren ihre Plausibilität und müssen neu formuliert werden.

Verbindlichkeit und Pluralität schließen sich gegenseitig nicht aus. Beide Pole müssen im Umgang mit den biblischen Schriften aber erst verstanden und für die je eigene Praxis beschrieben werden. An Themen, die in den biblischen Texten selbst zu finden sind oder die aus der gegenwärtigen Praxis des Glaubens entwachsen, kann dieses Verhältnis genauer bestimmt werden.

Melanie Köhlmoos, Jahrgang 1966, Professorin für Altes Testament an der Universität Frankfurt/Main. Forschungsschwerpunkte: Alttestamentliche Literaturwissenschaft, Bibelübersetzungen, Methodik der Exegese, Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt.

Hendrik Munsonius, Jahrgang 1973, Dr. iur., Master of Theology, Oberkirchenrat, Referent im Kirchenrechtlichen Institut der EKD Göttingen. Zahlreiche Publikationen zu kirchenrechtlichen Fragen.

Enno Edzard Popkes, Jahrgang 1969, Professor für Geschichte und Archäologie des frühen Christentums an der Universität Kiel. Forschungsschwerpunkte: Gnosis, Thomasevangelium und apokryphes Schrifttum, Qumran, Johannesevangelium.

Thomas Schlag, Jahrgang 1965, Professor für Praktische Theologie an der Universität Zürich. Zahlreiche Publikationen zu Religionspädagogik, Kirchen- und Gemeindeentwicklung, Pastoraltheologie, Jugendtheologie und zur Evaluation religiöser Praxis.

Notger Slenczka, Jahrgang 1960, Professor für Systematische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin. Zahlreiche Publikationen zur erfahrungstheologischen Begründung der normativen Größen von Schrift und Bekenntnis, zu Theologiegeschichte, theologischer Ethik und Ökumene.

Michael Theobald, Jahrgang 1948, Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen. Forschungsschwerpunkte: neutestamentliche Passionserzählungen, Johannesevangelium, neutestamentliche Briefliteratur.

Eine Retrospektive zur letzten Tagung finden sie HIER

Interessenten an einer Mitgliedschaft werden freundlich gebeten, sich an den Vorsitzenden zu wenden:

Professor Dr. Christof Landmesser
Evangelisch-Theologische Fakultät der
Eberhard Karls Universität Tübingen
Liebermeisterstr. 12, D-72076 Tübingen

Weitere Informationen:
www.bultmann-gesellschaft.net

15. Jahrestagung 2013

Normative Erinnerung
Der biblische Kanon zwischen Tradition und Konstruktion

25.-27.2.2013

Evangelische Tagungsstätte Hofgeismar

Was macht die biblischen Texte für den Glauben und für die Theologie zu einem Kanon? Was ist ein Kanon überhaupt? Welche Gestalt des biblischen Kanons ist für die christliche Tradition verbindlich? Gibt es eine solche Verbindlichkeit und was wäre mit ihr gemeint? Ist die Rede von einem Kanon in einer pluralen Welt noch sinnvoll und möglich, ohne sich den religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Diskursen unsachgemäß zu entziehen?

Die Rede vom biblischen Kanon verschafft auf einen ersten Blick Gewissheiten. Der Kanon liegt aber nicht einfach vor, er ist geschichtlich gewachsen und sein Umfang wird unterschiedlich bestimmt. Die vielfältigen Texte des biblischen Kanons öffnen Sinnwelten, die nicht einfach miteinander zu vereinbaren sind. Auch Widersprüchliches und Abwegiges ist zu entdecken, Redeweisen vergangener Zeiten, die nicht wiederholt werden können.

Die Frage danach, was die Texte miteinander verbindet, drängt sich auf. Der Gottesglaube prägt beide Testamente, er findet im Christusglauben eine besondere Gestalt. Es werden für den Glauben und sein Selbst-, Welt- und Gottesverständnis bedeutsame Geschichten erzählt. Erinnerung und Normativität verbinden sich in der Interpretation dieser Texte.

Das historische Bewusstsein nimmt diese mit einem Kanon, gleich welcher Art, verbundene Spannung wahr. Die Tradition der Schriftauslegung formt unser Bild vom Kanon ebensowie dies abhängig ist von unseren Glaubensweisen und Verstehenskontexten.

Wie unter gegenwärtigen Bedingungen sinnvoll vom biblischen Kanon geredet werden kann, wie das Verhältnis von Normativität und Interpretation beschrieben werden kann, soll untersucht und ausführlich diskutiert werden. Die biblischen und historischen Perspektiven, die konfessionellen und ökumenischen Einflüsse sind dabei ebenso wichtig wie die Frage nach dem systematischen und kulturellen Ort der Rede vom biblischen Kanon.

Klaus Fitschen, Jahrgang 1961, Professor für Neuere und Neueste Kirchengeschichte an der Universität Leipzig. Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Christentums in überkonfessioneller Perspektive von der Aufklärung bis in die Gegenwart.

Johannes Friedrich, Jahrgang 1948, Dr. theol., Landesbischof a.D. der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, z.Zt. wieder im Pfarrdienst, Mitglied des Rates der EKD. Publikationen zu Themen des Neuen Testaments, zu kirchlichen, ökumenischen und sozialethischen Fragen.

Elisabeth Gräb-Schmidt, Jahrgang 1956, Professorin für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Universität in Tübingen. Zahlreiche Publikationen zu Kulturhermeneutik, Lebensphilosophie, interreligiösem Dialog, Ethik.

Klaas Huizing, Jahrgang 1958, Professor für Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen an der Universität Würzburg sowie Schriftsteller. Forschungsschwerpunkte: Hermeneutik, Schrifttheologie, Anthropologie.

Andreas Lindemann, Jahrgang 1943, Professor für Neues Testament 1978 bis 2009 an der Kirchlichen Hochschule in Bethel. Forschungsschwerpunkte: Paulus, synoptische Evangelien, Kirchen- und Theologiegeschichte des 2. Jahrhunderts.

Jürgen van Oorschot, Jahrgang 1957, Professor für Altes Testament an der Universität in Erlangen. Zahlreiche Publikationen zu alttestamentlicher Anthropologie, Weisheit, Prophetie und Kanonisierungsprozessen.

Eine Retrospektive zur letzten Tagung finden sie HIER

Interessenten an einer Mitgliedschaft werden freundlich gebeten, sich an den Vorsitzenden zu wenden:

Professor Dr. Christof Landmesser
Evangelisch-Theologische Fakultät der
Eberhard Karls Universität Tübingen
Liebermeisterstr. 12, D-72076 Tübingen

Weitere Informationen:
www.bultmann-gesellschaft.net

14. Jahrestagung 2012

Der Text der Bibel
Interpretation zwischen Geist und Methode

27.-29.2.2012

Der Text der Bibel ist hoch bedeutsam und strittig zugleich. Der Text der Bibel ist in vielen und ganz unterschiedlichen Bereichen präsent. Bereits diese Beobachtung legt es nahe, dass es zum Text der Bibel verschiedene Zugänge geben muss.

Der Text der Bibel ist Gegenstand von Predigt und persönlicher Lektüre, er ist Objekt historisch-kritischer Forschung und er findet Resonanz im Raum Philosophie, der Literatur, der Kunst und der Kultur überhaupt. Die Vielfalt des Umgangs mit dem Text der Bibel macht die Frage dringlich, ob und wie eine angemessene Interpretation des Bibeltextes beschrieben werden kann.

Die Dynamik der Interpretation des biblischen Textes verdankt sich bereits seiner Entstehung. Der Text der Bibel ist in seiner geschichtlichen Entwicklung selbst das Resultat von Rezeptionsvorgängen und Interpretationen, er ist Produkt von Auseinandersetzungen und zufälligen oder initiierten Überlieferungsprozessen. Bereits innerhalb der biblischen Texte sind kontroverse und umkämpfte Auslegungstraditionen zu beobachten. Die Konflikte über die Deutung biblischer Texte sind in diesen bereits angelegt und setzen sich bis in die Gegenwart fort. Durch diese Interpretationsvorgänge werden wiederum Texte generiert, deren Deutung strittig ist.

Methode und Geist markieren zwei Pole, die in der Auslegungsgeschichte bis heute ins Spiel der Interpretationen gebracht werden. Wie sie in welchen Bereichen aufeinander zu beziehen sind, wo sie von Gewicht oder zu vernachlässigen sind, wo sie sich entgegenstehen oder ergänzen, soll auf der 14. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie untersucht und diskutiert werden. Der bewusste Umgang mit dem Text der Bibel erfordert eine genaue Beobachtung der Entstehung, der Wahrnehmung und der Interpretation dieser Texte in den Bereichen der Exegese, der Homiletik und der Theologie überhaupt und darüber hinaus im Raum der Kultur.

Bernd Auerochs, Jahrgang 1960, Professor für Neuere deutsche Literatur/Literaturwissenschaft an der Universität in Kiel. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Religion, Aufklärung, moderne Lyrik und deutsch-jüdische Literatur, Mitherausgeber des Kafka-Handbuchs.

Ulrich Heckel, Jahrgang 1958, Professor für Neues Testament in Tübingen, Oberkirchenrat im Dezernat für Theologie, Gemeinde und weltweite Kirche in der Württembergischen Landeskirche. Publikationen zu Themen des Neuen Testaments und zu Kirchen- und Gemeindefragen.

Doris Hiller, Jahrgang 1968, Privatdozentin für Systematische Theologie an der Universität in Bochum, Pfarrerin in Ittlingen und Richen, Publikationen zu dogmatischen und hermeneutischen Themen.

Jörg Jeremias, Jahrgang 1939, Professor em. für Altes Testament an der Universität in Marburg. Zahlreiche Publikationen zu zentralen Themen des Alten Testaments mit einem Schwerpunkt bei den Propheten.

Thomas Söding, Jahrgang 1956, Professor für Neues Testament an der Universität in Bochum. Zahlreiche Publikationen zu zentralen Themen des Neuen Testaments mit einem Schwerpunkt zur Hermeneutik.

Birgit Weyel, Jahrgang 1964, Professorin für Praktische Theologie an der Universität in Tübingen. Zahlreiche Publikationen zu zentralen Themen der Praktischen Theologie mit einem Schwerpunkt in der Homiletik.

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13. Jahrestagung 2011

Offenbarung - verstehen oder erleben?
Hermeneutische Theologie in der Diskussion

28.2.-2.3. 2011

Offenbarung ist ein Grundbegriff der jüdisch-christlichen Tradition. Die biblischen Texte gehen davon aus, dass der Gotteswille und der Zugang des Menschen zum Leben und zum Heil durch ein Enthüllungsgeschehen von Gott her zugänglich gemacht wird. Die Wege der Offenbarung sind unterschiedlich und scheinen geschichtlich kontingent zu sein.

Für den christlichen Glauben verbindet sich Offenbarung mit der Person Jesus Christus. Mit ihm ist die Gottesgegenwart in der Welt erkennbar. Die Christusbotschaft erschließt sich wiederum durch ein Offenbarungsgeschehen. Offenbarung meint bereits in den neutestamentlichen Texten nicht nur einen intellektuellen Akt, mit ihr stellt sich vielmehr auch eine personale Gewissheit ein, die auf dem geoffenbarten Geschehen basiert. Die Selbstverständlichkeit im Umgang mit Offenbarung scheint fraglich geworden zu sein. Die nicht überschaubare Vielfalt von Offenbarungen und die damit verbundenen Geltungsansprüche erfordern Kriterien der Unterscheidung. So können Offenbarungen verstehbar und kommunizierbar werden. – Es wird gegenwärtig im Raum der Kirche darüber hinaus auch gefragt, ob Offenbarung tatsächlich als eine hermeneutische Kategorie auf Verstehen ziele oder umfassender auf das Erleben des Menschen überhaupt. Verstehen oder Erleben scheinen mit Blick auf Offenbarung als Alternativen wahrgenommen zu werden.

Wie mit dem Begriff der Offenbarung als hermeneutischer Kategorie umgegangen werden kann, soll auf der 13. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie im Anschluss an exegetische, systematische, philosophische und praktisch-theologische Beiträge diskutiert werden. Einen breiten Raum wird auch die Rede von Offenbarung im Raum der Kirchen einnehmen. Die Auseinandersetzung über den Begriff der Offenbarung kann zu einem besseren Selbst- und Weltverständnis führen.

Emil Angehrn, Jahrgang 1946, Professor für Philosophie an der Universität Basel. Publikationen u.a. zur antiken und neuzeitlichen Philosophie, zu Metaphysik und Hermeneutik.

Christoph Bultmann, Jahrgang 1961, Professor für Bibelwissenschaften (Ev. Theologie) an der Universität Erfurt. Arbeiten zu Forschungsgeschichte, Hermeneutik der Bibelwissenschaft und zum Alten Testament.

Jochen Cornelius-Bundschuh, Jahrgang 1957, Professor für Praktische Theologie in Heidelberg, Leiter der Abteilung Theologische Ausbildung und Prüfungsamt der Evangelischen Landeskirche in Baden. Publikationen zur Liturgik und zur Homiletik.

Christoph Kähler, Jahrgang 1944, bis 2001 Professor für Neues Testament in Leipzig, 2001-2008 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen. Veröffentlichungen zum Neuen Testament und zu vielen Themen der Kirche.

Matthias Petzoldt, Jahrgang 1948, Professor für Fundamentaltheologie, Hermeneutik und Dogmatik in Leipzig. Veröffentlichungen u.a. zur Fundamentaltheologie, zu Religion und Hermeneutik.

Udo Schnelle, Jahrgang 1952, Professor für Neues Testament in Halle. Publikationen insbesondere zur Paulus- und Johannesauslegung. Herausgeber des „Neuen Wettstein“.

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12. Jahrestagung 2010

Kreuz und Weltbild - Interpretationen von Wirklichkeit
im Horizont des Todes Jesu

1.-3. März 2010

Der christliche Glaube hat sein Zentrum in der Rede vom Kreuz. Mit ihr ist der Anspruch verbunden, Wesentliches über das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt zur Sprache zu bringen. Von Beginn an war damit aber auch eine Provokation verbunden, die ihre Brisanz bis heute nicht verloren hat. Die fundamentalen Irritationen, die beim Verstehen zentraler Aussagen des christlichen Glaubens entstehen, sollen auf der 12. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie durchdacht und für ein gegenwärtiges christliches Weltverständnis produktiv aufgegriffen werden.

Ein Blick in die theologische und kirchliche Tradition lässt leicht erkennen, dass die christlich-religiöse Rede vom Kreuz niemals eindeutig war. Sie ist in ihrer jeweiligen Ausprägung selbst Resultat von unterscheidbaren Interpretationen des Todes Jesu, die unter den jeweiligen Zeit-, Sprach- und Kulturbedingungen eine Pluralität der Redeweisen vom Kreuz hervorbringen. - Unter den Bedingungen der Gegenwart wird besonders deutlich wahrgenommen, dass wir überhaupt mit einer Pluralität von Weltdeutungen oder Weltbildern existieren. Die Rede vom Kreuz hat deshalb in den modernen wie in den geschichtlich zugänglichen Kontexten keine unmittelbare Selbstverständlichkeit. Diese mehrfache Pluralität sowohl der Rede vom Kreuz wie auch der geschichtlichen und der gegenwärtigen Weltbilder bedeutet für den christlichen Glauben eine enorme Herausforderung.

Die Beiträge der Tagung wie die daran anschließenden Gespräche solle diese Spannung der vielfältigen Deutungen des Todes Jesu im Kontext pluraler Weltbilder aufgreifen, um aus exegetischer, philosophischer, systematischer, theologiegeschichtlicher und religionspädagogischer Perspektive Möglichkeiten einer aktualen und verantwortbaren Rede vom Kreuz aufzuweisen.

Christine Axt-Piscalar, Professorin für Systematische Theologie an der Universität Göttingen, Leiterin des Institutum Lutheranum. Zahlreiche Publikationen zu theologiegeschichtlichen und dogmatischen Themen.

Albert Biesinger, Professor für Religionspädagogik, Kerygmatik und Erwachsenenbildung an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen zur Religionspädagogik.

Martin Dutzmann, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche und Militärbischof der EKD. Promotion in Praktischer Theologie, Vortragstätigkeit, Herausgeberschaften und Publikationen zu gegenwartsrelevanten theologischen Themen.

Axel Hutter, Professor für Philosophie an der Universität München. Zahlreiche Publikationen zur klassischen deutschen Philosophie, Forschungen zur Philosophie des Geistes und zur Ästhetischen Theorie.

Paul-Gerhard Klumbies, Professor für Biblische Wissenschaften unter besonderer Berücksichtigung des Neuen Testaments an der Universität Kassel. Zahlreiche Publikationen zu "Mythos und Rationalität im Neuen Testament", zu den Evangelien und zur Diakonie.

Ulrich H.J. Körtner, Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen zur Dogmatik und Hermeneutik, zur Fundamentaltheologie und zur Ethik.

11. Jahrestagung 2009

Rudolf Bultmann (1884-1976) - Theologe der Gegenwart
Hermeneutik - Exegese - Theologie - Philosophie

2.-4. März 2009

Die 11. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie findet im 125. Geburtsjahr ihres Namensgebers statt. Aus diesem besonderen Anlass wird die Theologie des Marburger Gelehrten und deren Wirkungen Ausgangspunkt aller Beiträge sein. Dabei ist nicht bloß eine rückblickende Rekonstruktion wesentlicher Vorstellungen Bultmanns zu leisten. Die Auseinandersetzung mit seinen Ideen, Exegesen und hermeneutischen Überlegungen soll in vielfältiger Weise in den Kontext der gegenwärtigen Diskussionen in theologischer und philosophischer Perspektive gestellt werden.

Rudolf Bultmann war ein Theologe, der seine Wissenschaft im weiten Horizont von Glauben und Verstehen durchführte. Damit ist der bleibende und herausfordernde Anspruch verbunden, dass Theologie tatsächlich Wesentliches zur Erhellung der Gegenwart, in der sie betrieben wird, beitragen kann. Theologinnen und Theologen sind in allen Bereichen ihrer Wissenschaft und Frömmigkeit stets herausgefordert zu einer Reflexion ihres Selbst-, Welt- und Gottesverhältnisses. Diese kann nur vollzogen werden in einem intensiven Gespräch vor dem Hintergrund der christlichen Ursprungstexte, der theologischen und kirchlichen Tradition sowie der Fragen der eigenen Zeit, die sich auch in den Diskursen der Philosophie konkretisieren. Die Wahrnehmung einer solchen komplexen Fragestellung führt in die zentralen Kontroversen der je aktuellen Gegenwart.

Die Beiträge der Tagung und die sich daran anschließenden Diskussionen sollen Fragestellungen unserer eigenen Gegenwart in Kirche und theologischer Wissenschaft mit der Theologie Bultmanns konfrontieren. So wird unter durchaus veränderten Bedingungen des theologischen, philosophischen und gesellschaftlichen Umfeldes gegenüber der Zeit Bultmanns eine schärfere Wahrnehmung unserer eigenen Zusammenhänge möglich werden.

Hans Weder, Jahrgang 1946, Professor für Neues Testament an der Universität Zürich (2000–2008 Rektor der Universität Zürich). Zahlreiche Publikationen u.a. zu den Hauptgebieten der neutestamentlichen Wissenschaft und Hermeneutik.

Martin Hein, Jahrgang 1954, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Honorarprofessor an der Universität Kassel, habilitiert im Fach Kirchengeschichte. Vielfältige Publikationen zu kirchlichen und theologischen Fragen.

Konrad Hammann, Jahrgang 1955, Professor für Systematische und Historische Theologie und ihre Didaktik an der Universität Münster. Biograph Bultmanns.

Wilfried Härle, Jahrgang 1941, Professor für Systematische Theologie/Ethik an der Universität Heidelberg. Zahlreiche Publikationen zu den wesentlichen Fragen von Theologie und Ethik im Horizont aktueller Gegenwartsfragen.

Christof Landmesser, Jahrgang 1959, Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen zu zentralen Fragen der neutestamentlichen Exegese und Hermeneutik.

Stephan Grätzel, Jahrgang 1953, Professor für Philosophie (Schwerpunkt Praktische Philosophie) an der Universität Mainz. Zahlreiche Publikationen zur Praktischen Philosophie, Hermeneutik und Religionsphilosophie.

10. Jahrestagung 2008

Kirche - Christus - Kerygma.
Profil und Identität evangelischer Kirche(n)

25.-27. Februar 2008

Derzeit findet eine intensive Diskussion über das Selbstverständnis und das Profil evangelischer Kirche(n) statt. Man denke nur an das breit diskutierte Positionspapier der EKD "Kirche der Freiheit" und ähnliche Strategiepapiere evangelischer Landeskirchen, aber auch an die Erklärung der römisch-katholischen Glaubenskongregation vom Sommer 2007. Die Tagung möchte die Debatte aus der kirchlichen Tagespolitik auf die theologischen Grundlagen zurückführen. Dabei ist der Begriff des Evangelischen keineswegs konfessionell zu verengen, sondern im Sinne des Evangeliumsgemäßen zu verstehen.

Was aber macht die Identität der christlichen Kirchen im Kontext der übrigen Weltreligionen wie auch einer säkularen Gesellschaft aus? Genügt der Hinweis auf die vermeintliche Wiederkehr der Religion und das Offenhalten der Gottesfrage, um Auftrag und gesellschaftliche Relevanz der Kirchen zu begründen? Sind es nicht der Christusbezug, das Christusbekenntnis und die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus, die der Kirche ihr unverwechselbares Profil in einer pluralistischen Gesellschaft und im Vergleich mit den anderen Religionen geben? Wie weit hat die missionarische Dimension die Identität der Kirche(n) in der Geschichte des Christentums bestimmt, und was folgt daraus für die Gegenwart?

Die Tagung stellt diese Fragen im ökumenischen Kontext. Neben dem Selbstverständnis reformatorischer Kirchen werden das Kirchenverständnis evangelischer Freikirchen wie auch die Diskussionslage innerhalb der römisch-katholischen Kirche thematisiert. Das Begründungsverhältnis von Kirche und Glaube, Kirche und christlicher Verkündigung gehört nach wie vor zu den strittigen Fragen im ökumenischen Gespräch. In diesem Zusammenhang soll auch die These Rudolf Bultmanns: „Die Kirche wird durch das Kerygma konstituiert und das Kerygma durch die Kirche“, erneut zur Diskussion gestellt werden.

Friedrich Avemarie, Jahrgang 1960, ist Professor für Neues Testament an der Universität Marburg. Forschungsschwerpunkte sind die Apostelgeschichte (Die Tauferzählungen der Apostelgeschichte, 2002), die Theologie des Paulus und die antike rabbinische Literatur.

Hanns Christoph Brennecke, Jahrgang 1947, ist Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Zahlreiche Veröffentlichungen vor allem zur Theologie der Kirchenväter und zum neuzeitlichen Christentums.

Michael Beintker, Jahrgang 1947, Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Veröffentlichungen zur Theologie Karl Barths. „Rechtfertigung in der neuzeitlichen Lebenswelt“ (1998).

Dorothea Sattler, Jahrgang 1961, ist Professorin für Systematische Theologie und Direktorin des Instituts für Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Veröffentlichungen u.a. zur Buße im ökumenischen Gespräch und zur Sakramentstheologie.

Klaus Schmitz, Jahrgang 1948, ist Pastor der Freikirche der Siebenten-Tags- Adventisten und Lehrbeauftragter für NT an der Theologischen Hochschule Friedensau. Aufsätze zu Ehe und Ehescheidung, Apokalyptik/Enderwartung sowie zum adventistischen Selbstverständnis.



Empfohlene Literatur zur Tagung:

  • R. Bultmann, Kirche und Lehre im Neuen Testament, in: ders., Glauben und Verstehen I, S. 153-187

  • G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. III, § 36 (bes. S. 334-358: Theologisches und empirisches Reden von der Kirche)

  • M. Beintker, „Kirche spielen – Kirche sein“. Zum Kirchenverständnis heute, ZThK 93 (1996), S. 243-256

  • P.-G. Klumbies, Wiedergewinnung des Positionellen, DtPfrBl 95 (1995), S. 177-179

9. Jahrestagung 2007

Die Gegenwart der Zukunft.
Geschichte und Eschatologie

26.-28. Februar 2007

Befaßte sich die Tagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft im Jahre 2006 mit dem Thema „Geschichte und Vergangenheit“, so schließt daran 2007 die Frage nach der Zukunft an. Die „Entdeckung der Zukunft“ (L. Hölscher) charakterisiert nicht nur die moderne Geschichtstheorie, sondern auch die neuere Geschichte der Eschatologie, die im Gefolge der Dialektischen Theologie eine Blütezeit erlebte.

Gegenüber den Debatten der 1960er und 1970er Jahre, die stark durch eine „Theologie der Hoffnung“ (J. Moltmann) und gesellschaftspolitische Visionen des Reiches Gottes geprägt waren, haben sich die soziokulturellen und ökonomischen Rahmenbedingungen stark gewandelt. Die weltpolitische Wende des Jahres 1989 schien zunächst das „Ende der Geschichte“ (F. Fukuyama) einzuläuten; aber dieser geschichtsphilosophische Optimismus ist rasch verflogen. Die Gestaltung und Sicherung der Zukunft ist nicht nur eine drängende Frage heutiger Politik, sondern auch eine Aufgabe für die Kirchen.

Die Tagung setzt sich zum Ziel, nicht nur den gegenwärtigen Stand der systematisch-theologischen und der exegetischen Diskussion zur christlichen Eschatologie zu bestimmen, sondern auch konkret die Frage nach der Zukunft des Christentums und der Zukunft der Kirche(n) zu stellen. Auf welcher theologischen Grundlage finden gegenwärtige Reformprozesse in den Kirchen statt? Wie weit ist der Zukunftsbegriff wirklich theologisch reflektiert? Dominieren nur Ökonomie und Demographie, steht also das künftig Mögliche unter dem Primat des Wirklichen? Oder werden die gegenwärtigen Strukturprobleme auch als Chance begriffen, das Thema der Eschatologie neu zu entdecken und nach der praktischen Relevanz einer im Glauben begründeten Hoffnung zu fragen?

Lucian Hölscher, Jahrgang 1948, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bochum. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter sein Buch „Die Entdeckung der Zukunft“ (1999), ferner Studien zur Frömmigkeitsgeschichte in Deutschland.

Hartmut Rosenau, Jahrgang 1957, ist Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Kiel. Buchveröffentlichungen zur Allversöhnung, zur Christologie Schellings und zu religionsphilosophischen Themen.

Jan Hermelink, Jahrgang 1958, Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Forschungsschwerpunkte in Homiletik und Kirchentheorie/Kirchenorganisation. Buchveröffentlichung: „Praktische Theologie der Kirchenmitgliedschaft“ (2000).

Dietz Lange, Jahrgang 1933, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Veröffentlichungen: „Ethik in evangelischer Perspektive“ (1992); „Glaubenslehre“ (2 Bände, 2001).

Andreas Lindemann, Jahrgang 1943, ist Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule in Bethel und stellvertretender Vorsitzender der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft. Veröffentlichungen zu Paulus, „Arbeitsbuch zum Neuen Testament“ (gemeinsam mit Hans Conzelmann, 14. Aufl. 2004).

8. Jahrestagung 2006

Geschichte und Vergangenheit.
Rekonstruktion - Deutung - Fiktion

27. Februar - 01. März 2006

Das Wort „Geschichte“ hat eine doppelte Bedeutung. Einerseits bezeichnet es die Vergangenheit, welche Gegenstand historischer Erinnerung und Forschung ist, andererseits bezeichnet es die Erzählung, deren Inhalt wahr oder auch erfunden sein kann. „Geschichte“ steht für „story“ wie für „history“. Wie hängt beides zusammen, und worin unterscheiden sie sich?

Nach der scheinbaren Gewißheit, in der das 19. Jahrhundert seine Arbeit betrieb, um zu „erkennen, wie es wirklich gewesen“ ist (L. von Ranke, W. Wrede), erfolgte unter dem Einfluß der Dialektischen Theologie in der hermeneutischen Theologie ein Perspektivenwechsel von der objektivierenden Darstellung der Geschichte zu der in der „Geschichtlichkeit“ (Martin Heidegger) des Menschen angeeigneten Geschichte. Das lange Zeit als ausbalanciert geltende Verhältnis von Rekonstruktion und Interpretation ist zwischenzeitlich von Gegenentwürfen in Frage gestellt worden, die den fiktionalen Charakter der historischen Arbeit betonen. Parallel dazu sind Konzeptionen einer narrativen Theologie entstanden, welche den Stellenwert des Erzählens in der biblischen Überlieferung wie für den christlichen Glauben überhaupt betonen, während postmoderne Philosophen wie J.-F. Lyotard das Ende der großen Erzählungen und damit jedes Konzepts von Universalgeschichte behaupten. „Die“ Geschichte löst sich in Geschichten auf.

Für die historische Theologie wie für die Geschichtswissenschaft insgesamt stellt sich in der gegenwärtigen Situation die Aufgabe, die erkenntnistheoretischen Grundlagen der historischen Arbeit einer grundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen. Aber auch andere Disziplinen beschäftigen sich heute mit dem Zusammenhang von Geschichte und Erzählung. Narrative Formen der Wirklichkeitsdeutung interessieren die Sozial- und Kulturwissenschaften ebenso wie die Systematische und die Praktische Theologie. Unter dem Thema „Geschichte und Vergangenheit“ spannt sich der Bogen von der Diskussion über die Prämissen historischer Forschung und die ihr zugrundeliegenden Rationalitätskonzepte bis zur Frage, wer unsere Lebensgeschichte schreibt und erzählt.

Konrad Schmid, Jahrgang 1965, ist Professor für Altes Testament und spätisraelitische Religionsgeschichte in Zürich. Veröffentlichungen u.a. zum Jeremiabuch und zur Sichtweise der Ursprünge Israels in den alttestamentlichen Geschichtsbüchern.

Eckhard Plümacher, Jahrgang 1938, war Bibliotheksdirektor an der Humboldt-Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Apostelgeschichte hervorgetreten, zuletzt der Band „Geschichte und Geschichten“ (2004).

Lucian Hölscher, Jahrgang 1948, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bochum. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter sein Buch „Neue Annalistik. Entwurf zu einer Theorie der Geschichte“ (2003).

Silke-Petra Bergjan ist Professorin für Kirchen- und Theologiegeschichte in Zürich. Arbeitsschwerpunkte: Theologie und Philosophie in der Spätantike; Kirchengeschichtsschreibung in der frühen Neuzeit.

Christoph Müller, Jahrgang 1944, ist Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Veröffentlichungen zur Hermeneutik und zu Kasualien. zelmann, 14. Aufl. 2004).

7. Jahrestagung 2005

Die Wirklichkeit des Geistes.
Konzeptionen und Phänomene des Geistes in Philosophie und Theologie der Gegenwart

28. Februar - 02. März 2005

Seit jeher sind Begriff und Phänomene des Geistes ein zentrales Thema des Gespräches zwischen Theologie und Philosophie, hat doch die christliche Theologie die biblische Rede vom Geist Gottes und seinen Wirkweisen in Begriffen zu denken versucht, die aus der Philosophie übernommen wurden. Umgekehrt hat die abendländische Philosophie des Geistes von der Theologie wichtige Anregungen empfangen.

Die modernen Neurowissenschaften stellen beide Disziplinen vor neue Herausforderungen. Ankündigungen, die Hirnforschung werde schon bald die "Rätsel des Bewußtseins" lösen, scheinen die bisherige Philosophie des Geistes in Bedrängnis zu bringen. Auch das Phänomen der Religion ist inzwischen zu einem Forschungsgebiet der Hirnforschung geworden. Vertreter einer "Neurotheologie" versuchen auf experimentellem Wege die Annahme zu stützen, daß sich religiöse Erfahrungen und Gefühle in bestimmten Hirnarealen verorten lassen. Sind Gott und das Ich nur Illusionen unseres Gehirns?

Für Philosophie und Theologie gleichermaßen grundlegende Begriffe wie "Geist", "Bewußtsein", "Selbst", "Person", "Wille" und "Freiheit" werden von den Neurowissenschaften zur Disposition gestellt. Altbekannte Fragen der Ontologie und der Erkenntnistheorie, der Anthropologie und der Ethik müssen neu gestellt werden: Gibt es eine von der physikalisch beschreibbaren Welt unabhängige Realität des Geistes? Oder lassen sich geistige Phänomene vollständig auf naturwissenschaftlicher Basis erklären? Was bedeuten die Debatten darüber für das theologische Verständnis des Menschen und seiner Beziehung zu Gott, dessen grundlegende Bestimmung es nach biblischem Zeugnis ist, Geist zu sein (Joh 4,24).

Eine Theologie des Geistes steht heute vor einer zweifachen Herausforderung. Sie hat sich nicht nur dem Diskurs mit Neurowissenschaften und Bewußtseinsphilosophie zu öffnen, sondern auch der Wirklichkeit einer weitgespannten Spiritualität, die von Formen neuer Religiosität bis zur charismatischen Bewegung reichen. Dabei stellt sich die spannende Frage, ob zwischen Spiritualität als "Einleibung des Heiligen Geistes" und den aktuellen Debatten über das Leib-Seele-Problem eine Verbindung möglich ist.

Programmänderung: Prof. Dr. Manfred Josuttis hat seine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. An seiner Stelle konnte Porf. Dr. Christoph Schneider-Harpprecht gewonnen werden. Der Titel seines Vortrags lautet: "Verleiblichung des Geistes zwischen Fundamentalismus und Synkretismus".

Michael Pauen, Jahrgang 1956, ist Professor für Philosophie an der Universität Magdeburg. Arbeiten zur Philosophie des Geistes sowie zur Kultur- und Geschichtsphilosophie haben ihn einem breiten Publikum bekannt gemacht. Zuletzt erschien "Illusion Freiheit?" (2004).

Matthias Petzoldt, Jahrgang 1948, ist Professor für Fundamentaltheologie und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig und Gründungsmitglied des Leipziger Forums für Naturwissenschaft - Philosophie - Theologie.

Christof Landmesser, Jahrgang 1959, ist Professor für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz. Seine Forschungsgebiete sind die neutestamentliche Hermeneutik, die Theologie des Paulus, die synoptischen Evangelien sowie die urchristliche Ethik.

Christoph Schneider-Harpprecht, Jahrgang 1955, ist Professor für Praktische Theologie und Rektor der Evangelischen Fachhochschule Freiburg i.Br. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Seelsorgetheorie und Pastoralpsychologie, darunter zur interkulturellen Seelsorge.

6. Jahrestagung 2004

Gott und Götter.
Die Gottesfrage in Theologie und Religionswissenschaft

08.-10. März 2004

Die religiöse Lage der Gegenwart irritiert durch die scheinbare Unvereinbarkeit gegenläufiger Trends: Einerseits nimmt das Interesse an Religion, auch an den verschiedenen Religionen stark zu. Andererseits haben das Christentum und die Kirchen von dieser Entwicklung bislang kaum profitiert. Die neue Religiosität ist weithin eine Religion ohne Gott. Personale Gottesvorstellungen treten in den Hintergrund. Nicht einmal die Frage nach Gott kann noch wie selbstverständlich als Anknüpfungspunkt für Theologie und kirchliche Verkündigung vorausgesetzt werden. Eher muß man von einer sich ausbreitenden Gottesvergessenheit sprechen.

Die Schwierigkeiten, in welche die Gottesfrage heute führt, sollen zum Anlaß genommen werden, das Selbstverständnis der Theologie und ihr Verhältnis zur heutigen Religionswissenschaft zu überdenken. Als Reaktion auf das Entstehen und die wissenschaftliche Konkurrenz einer eigenständigen Religionswissenschaft, die sich von allen dogmatischen Vorgaben emanzipierte, wurde Religion zum Leitthema der Theologie seit der Aufklärung. Die moderne Theologie hat sich seither entweder als konsequent zuende geführte bzw. als normative Religionswissenschaft zu behaupten versucht, oder sie hat, wie in der Dialektischen Theologie, zum Gottesthema, genauer gesagt zum Gedanken der Selbstoffenbarung Gottes, zurücklenken wollen.

Im Kontext der Religionswissenschaft und der Kulturwissenschaften erklärt sich die Theologie noch immer in besonderer Weise für die Gottesfrage zuständig. Allerdings zeigt sich, daß mit der bloßen Frage nach Gott für die Theologie im heuten Streit der Fakultäten nicht viel gewonnen ist. Denn als offene Frage beschäftigt die Gottesfrage auch die moderne Religionswissenschaft, die sich keineswegs immer mit der Rolle eines unbeteiligten Religionsbeobachters begnügt, sondern wie die Theologie ein Ort der existentiellen Auseinandersetzung mit Religion werden kann. Was aber sind die jeweiligen Bedingungen, unter denen es in Theologie und Religionswissenschaft sinnvoll erscheint, nach Gott zu fragen? Was nötigt überhaupt dazu, von Gott zu reden und nach ihm zu fragen? Und wie läßt sich heute verantwortlich von Gott reden? Diesen Fragen geht die Tagung nach.

Reinhold Bernhardt, Jahrgang 1957, ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Basel. Er ist durch Arbeiten zur Theologie der Religionen (1991) und Absolutheit des Christentums (1990) sowie zur Rede vom Handeln Gottes (1999) hervorgetreten.

Martin Hein, Jahrgang 1954, ist Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Privatdozent für Kirchengeschichte an der Universität Kassel und Vorstandsvorsitzender der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.

Karénina Kollmar-Paulenz, Jahrgang 1958, ist Professor für Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Ihre bisherigen Forschungsschwerpunkte liegen auf der tibetischen und mongolischen Religion- und Kulturgeschichte.

Jean Zumstein, Jahrgang 1944, ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich. Wichtige Monographien von ihm befassen sich mit dem Matthäus- und dem Johannesevangelium sowie der Kreuzesnachfolge im Neuen Testament.

5. Jahrestagung 2003

Christliche Ethik - Evangelische Ethik?
Das Ethische im Konflikt der Interpretationen

03.-05. März 2003

Die Disziplin der Ethik hat in den vergangenen Jahren einen starken Aufschwung erlebt. Nicht zuletzt aufgrund der bioethischen Debatten ist das Interesse an ethischer Orientierung gestiegen. Das Phänomen des Ethischen gerät freilich in den Konflikt der Interpretationen, der sich nicht nur in Gestalt ethischer Konflikte, sondern auch im Konflikt ethischer Grundkonzeptionen und Menschenbilder zeigt.

Theologie und Kirche sind an den ethischen Diskussionen intensiv beteiligt. Die Kirchen versuchen dabei gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten. Ob man aber wirklich von einer Übereinstimmung der Kirchen z.B. in bioethischen Fragen sprechen kann, ist umstritten. Verstärkt wird über das spezifische Profil evangelischer Ethik und Urteilsbildung nachgedacht. Dem steht gegenüber die bekannte These Bultmanns, es gebe „keine christliche Ethik im Sinne einer einsichtigen Theorie über das, was der Christ zu tun und zu lassen hat“, da die im Zentrum des christlichen Glaubens stehende Liebe kein allgemein einsichtiges ethisches Prinzip sei. Mit dieser Problematik wird sich die 5. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie in besonderer Weise auseinandersetzen.

Gibt es überhaupt eine spezifisch christliche oder gar eine unterscheidbar evangelische Ethik, zumindest, was die konkrete Urteilsbildung und den Umgang mit dem innerkirchlichen wie gesamtgesellschaftlichen Pluralismus betrifft? Wie verortet sich evangelische Ethik im ökumenischen Kontext und im Gespräch mit den diversen Konzeptionen philosophischer Ethik? Wie weit klaffen hinsichtlich einer biblischen Fundierung evangelischer Ethik Anspruch und Wirklichkeit auseinander?

Ethik als Theorie menschlicher Lebensformen impliziert stets eine Deutung menschlichen Lebens und Lebenssinns. Die ethische Frage partizipiert also am Problem der Hermeneutik. Auf der Tagung soll darüber diskutiert werden, welche Zugänge sich von der Tradition hermeneutischer Theologie aus zum Phänomen des Ethischen im Konflikt der Interpretationen eröffnen.

Günter Figal, Jahrgang 1949, ist Professor für Philosophie an der Universität Freiburg i.Br. Er ist durch Arbeiten auf dem Gebiet der Hermeneutik sowie zu Heidegger und Nietzsche hervorgetreten.

Matthias Köckert, Jahrgang 1944, ist Professor für Altes Testament an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen Forschungsgebieten gehören insbesondere das Verständnis des Gesetzes in der deuteronomischen und priesterlichen Literatur des Alten Testaments sowie die alttestamentliche Prophetie.

Konrad Stock, Jahrgang 1941, ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Bonn, Außenstelle Köln. Er hat Arbeiten zur Grundlegung protestantischer Tugendlehre (1995) und zu einer theologischen Phänomenologie der Liebe (2000) vorgelegt.

Ulrich Körtner, Jahrgang 1957, ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien. 1999 hat er ein Lehrbuch der evangelischen Sozialethik veröffentlicht. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte liegt auf dem Gebiet der Bioethik.

4. Jahrestagung 2002

Wort Gottes - Kerygma - Religion
Zur Frage nach dem Ort der Theologie

18.-20. Februar 2002

Unbeschadet seiner zentralen Bedeutung für die reformatorische Theologie des 16. Jahrhunderts hat der Begriff des Wortes Gottes erst im 20. Jahrhundert als Leitbegriff evangelischer Theologie Karriere gemacht. Dies geschah innerhalb und im Gefolge der sogenannten Wort-Gottes-Theologie, die nach dem 1. Weltkrieg entstand und trotz der aus unterschiedlichen Richtungen seit den 60er Jahren geübten Kritik immer noch ihren Einfluß ausübt.

Seit einiger Zeit vollzieht sich innerhalb der deutschsprachigen Theologie allerdings ein Paradigmawechsel, der sich am Leitbegriff der Religion orientiert. Damit verbunden ist eine Rehabilitierung des Kulturprotestantismus des 19. Jahrhunderts, mit dem die dialektische Theologie hart ins Gericht gegangen war. Zugleich erfährt die Dimension des Ästhetischen in allen theologischen Disziplinen eine enorme Aufwertung. Die Auswirkungen der fundamentaltheologischen Neuorientierung reichen bis in die Religionspädagogik und die Universitätspolitik. Zur Diskussion steht nämlich nicht nur eine neue Verhältnisbestimmung von Christentum und Kultur, sondern auch das Selbstverständnis der Theologie als Wissenschaft im Gegenüber zu den Kulturwissenschaften und zur Religionswissenschaft.

Allzuleicht wird in der gegenwärtigen Diskussion freilich die Ambivalenz der Religiösen ausgeblendet. Bei aller berechtigten Kritik an der Wort-Gottes-Theologie sollte nicht vergessen werden, daß sie sich der unvermindert aktuellen Herausforderung neuzeitlicher Religionskritik gestellt hat. Überhaupt spricht einiges dafür, daß die Gegenüberstellung von »Wort Gottes« und »Religion« eine falsche Alternative bildet. Diese Vermutung findet nicht zuletzt an der Kerygma-Theologie Bultmanns und ihrer inneren Entwicklung Anhalt. Der Begriff des Wortes Gottes läßt sich heute allerdings nur verwenden, wenn die Frage, welchen Sinn es hat, vom Reden Gottes bzw. vom Kerygma zu sprechen, exegetisch und systematisch neu gestellt wird.

Diesen Fragen widmet sich die 4. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie. Dabei werden unterschiedliche Versuche, den heutigen Ort christlicher Theologie zu bestimmen, zur Diskussion gestellt.

Oda Wischmeyer ist Professorin für Neues Testament an der Universität Erlangen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind neutestamentliche Hermeneutik, Theologie des Paulus und frühjüdische Weisheitstheologie.

Harry Oelke, Jahrgang 1957, ist Privatdozent für Kirchengeschichte an der Universität Kiel. Er hat Arbeiten zur Kirchengeschichte in der Weimarer Republik und im »Dritten Reich« veröffentlicht. Im Sommersemester 2001 hatte er eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Saarbrücken inne.

Dietrich Korsch, Jahrgang 1949, ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Marburg. Er hat eine Reihe von Studien zum Religionsbegriff und zur Dialektischen Theologie sowie eine hermeneutisch orientierte Einführung in die Dogmatik vorgelegt.

Gottfried Adam, Jahrgang 1939, ist Professor für Religionspädagogik an der Universität Wien. Er ist durch eine Reihe von religionspädagogischen Lehrbüchern bekannt geworden. Ein Schwerpunkt seiner gegenwärtigen Arbeit ist die Gottesfrage aus religionspädagogischer Sicht.

3. Jahrestagung 2001

Jesus im 21. Jahrhundert

5.-7. März 2001

Die Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts war über weite Strecken bestimmt durch die Diskussion über die historische Frage nach Jesus von Nazareth und über deren theologische Bedeutung. Nicht zuletzt durch Albert Schweitzers Werk "Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" wurde die Jesusfrage zu einem zentralen Thema nicht nur der historischen Exegese, sondern auch der systematischen Theologie. In der Theologie Rudolf Bultmanns haben beide Aspekte eine wesentliche Rolle gespielt. Im Jahre 1926 erschien Bultmanns Buch "Jesus", in dem er nach der Botschaft Jesu fragte, zugleich aber das Gewicht dieser Frage als für den Glauben nicht entscheidend herausstellte. Die in der Theologie der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts aufkommende "Neue Frage" nach dem historischen Jesus wollte die Bedeutung der Rückfrage nach Jesus für den christlichen Glauben hervorheben. Bultmann stand dieser Tendenz weiterhin kritisch gegenüber, vor allem deshalb, weil er insbesondere bei Paulus und im Johannesevangelium einen solchen Rückbezug nicht beobachten konnte.

Seit den achtziger Jahren bestimmt zunehmend "the third quest" die Diskussion, die unter anderem den von Bultmann noch zu wenig herausgestellten Aspekt des Judeseins Jesu besonders unterstreicht. Welche Bedeutung kommt Bultmanns Forschung angesichts der gegenwärtigen Entwicklung noch zu? Welche Bedeutung hat sein theologisches Urteil über den historischen Jesus, der als solcher nicht Gegenstand des Glaubens ist, in der gegenwärtigen christologischen Reflexion?

Die 3. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie ist, 75 Jahre nach dem Erscheinen von Bultmanns Jesus-Buch und 50 Jahre nach dessen Wiederveröffentlichung im Verlag Mohr-Siebeck, diesen Fragen gewidmet. Dabei sollen unterschiedliche wissenschaftliche Positionen zu Wort kommen und zur Diskussion gestellt werden.

Walter Schmidthals, Jahrgang 1923, Professor in Berlin, ist direkter Schüler Bultmanns. Er ist durch zahlreiche Beiträge zur Jesusforschung und zu deren Bedeutung für Verkündigung und Kirche hervorgetreten.

Nikolaus Walter, geboren 1932, Professor in Jena, ist ausgewiesener Kenner des griechischsprechenden Judentums; Forschungsschwerpunkt ist das hellenistische Judenchristentum und seine Bedeutung für die Ausweitung der Jesusbotschaft in die Völkerwelt.

Johannes Fischer, Jahrgang 1947, ist Professor für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Universität Zürich. Er hat Arbeiten zur aktuellen Bedeutung traditioneller christologischer Aussagen und zum Verhältnis von Christologie und Ethik veröffentlicht.

Gerbern S. Oegema, geboren 1958, studierte in Amsterdam und Berlin und habilitierte sich in Tübingen; Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit ist das Judentum der hellenistisch-römischen Zeit.